Wie es so häufig im Fernsehzeitalter ist: Bevor “The White Queen” über die Bildschirme flimmerte, kannte kaum jemand Elizabeth Woodville. Was eigentlich schade ist, da sie nicht nur “die schönste Frau auf der britischen Insel”, sondern auch eine der frühen Machtpolitikerinnen der Geschichte war. Sie bleibt eine der umstrittensten Gestalten des englischen Königshauses. Und zudem ist sie die Ahnherrin aller englischen Monarchen ab Heinrich VIII., bis zum heutigen Tag.

Wenn Ihr “The White Queen” gesehen habt, werdet Ihr vieles von dem, was ich hier schreibe, wiedererkennen, da die Serie zumindest in den wichtigen historischen Fakten erfreulich nah an der Wahrheit geblieben ist. Aber Historical Fiction ist nun einmal nicht Historical Reality. Also will ich, abseits von Romanen und Fernsehserien, die echte Geschichte von Elizabeth Woodville erzählen.

Und die Verwirrung tut mir im Vorfeld leid, aber es hießen wirklich so viele Männer/Jungen jener Zeit Edward oder Richard.

Elizabeth Woodville: Die Wahrheit über die "White Queen"

Kind einer Skandalehe

Von nahezu ihrem ersten Tag auf Erden an war Elizabeth Woodville skandalumwittert, denn ihre bloße Existenz war ein solcher.

Elizabeth kam vermutlich im Jahr 1437 zur Welt. Ihr Vater, Sir Richard Woodville, entstammte einer angesehenen, reichen, jedoch nichtadeligen Familie. Sir Richard diente vor seiner Ehe John of Lancaster, Herzog von Bedford, dem Onkel von König Heinrich VI. Als der Herzog 1435 starb, ließ er seine junge Witwe Jacquetta von Luxemburg reich und kinderlos zurück. Eigentlich hätte Jacquetta die Erlaubnis des Königs gebraucht, um erneut zu heiraten, doch 1437, vermutlich durch die Geburt von Elizabeth Woodville, flog Jacquettas heimliche Ehe mit Richard Woodville, dem Kammerdiener ihres verstorbenen Mannes, auf. Woodville war weit unter Jacquettas Stand, da er lediglich Ritter war. Es gab einen mittelmäßigen Skandal, das Paar wurde mit einer Geldstrafe belegt, doch 11 Jahre später wurde Richard Woodville in den Adelsstand erhoben und trug fortan den Titel Baron Rivers.

Die kleine Elizabeth wuchs also wohlbegütert und mit schließlich ganzen 13 Geschwistern auf. Da ihre Mutter sowohl mit dem König als auch seiner Königin Margaret von Anjou verwandt war, war sie die zweitranghöchste Frau bei Hofe, und zudem eine Vertraute der Königin. Die Woodville-Familie war eine der großen Lancaster-Familien, als 1455 die Rosenkriege zwischen dem Haus Lancaster und dem Haus York ausbrachen.

Elizabeth Woodville hatte 1452 Sir John Grey of Groby geheiratet und zwei Söhne, Thomas und Richard, bekommen. Doch ihr Mann fiel 1461 bei der 2. Schlacht von St Alban’s. Das Haus Lancaster verlor den Thron, und Edward IV. aus dem Haus York regierte nun England. Als sich seine und Elizabeths Wege kreuzten, muss so etwas wie Liebe auf den ersten Blick passiert sein, denn die beiden heirateten 1464 heimlich. Sicher ein schönes Paar, denn sowohl Elizabeth als auch Edward wurden von Zeitgenossen als außergewöhnlich atraktiv beschrieben. Doch war die Ehe von Elizabeths Eltern schon skandalös, war dies hier die Urmutter des Skandals: Elizabeth war nicht einmal annähernd standesmäßig gut genug für einen König. Zudem war sie Witwe, fünf Jahre älter als ihr Mann und dann auch noch aus dem Lager seiner Feinde.

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Elizabeth Woodville, Königin von England

Die neue Königin war also mehr als umstritten, und sie brachte eine große Menge Geschwister mit, die sie möglichst vorteilhaft im englischen Adel verheiratete – nicht zur Freude der alten Adelsfamilien. Für sie waren die Woodvilles immer noch bürgerliche Emporkömmlinge, und da stieß z. B. die Ehe von Elizabeths Schwester Katherine mit Henry Stafford, dem 2. Herzog von Buckingham sehr sauer auf. Die Woodvilles verschwägerten sich damit mit einer der mächtigsten Familien Englands, wodurch die Staffords sich jedoch eher gedemütigt als geehrt fühlten. Und auch die Ehe von Elizabeths Bruder John mit der begüterten, aber mehr als dreimal so alten Katherine Neville sorgte für Unmut. Gleichzeitig besetzten immer mehr Woodvilles bedeutende Positionen am Hof und im Militär.

699px-King_Edward_IVEiner, der nun ernstlich um seine Position fürchtete, war der wichtigste Berater Edwards, bevor Elizabeth Woodville auf den Plan trat: Richard Neville, Graf von Warwick, genannt “Königsmacher”. Er verbündete sich mit George, Herzog von Clarence, dem jüngeren Bruder Edwards IV. und Warwicks Schwiegersohn, gegen den König. Gleich zweimal rebellierten sie gegen Edward, dann flohen sie nach Frankreich. Dort formten sie eine unsichere Allianz mit der Lancaster-Seite in Gestalt von Margaret von Anjou, der abgesetzen Königin Heinrichs VI. Ihr Ehemann saß mittlerweile im Tower, aber seine Frau hatte den Kampf um den Thron noch nicht aufgegeben. Gemeinsam fielen sie 1470 in England ein. Es gelang ihnen, Edward vom Thron zu stoßen und ins Exil zu treiben. Elizabeth floh mit ihren Töchtern ins Kirchenasyl in die Westminster Abbey. Dort brachte sie ihren ersten Sohn, den Thronfolger Edward, zur Welt.

Und schon im folgenden Jahr besiegte Edward IV. die Lancaster-Rebellen und riß die Macht wieder an sich. Warwick fiel auf dem Schlachtfeld, ebenso wie der Sohn Heinrichs VI., Edward von Westminster. Margaret von Anjou wurde inhaftiert, und Heinrich VI. starb unter bis heute ungeklärten Umständen im Tower (na, was wird da wohl passiert sein…) Da der Gegenkönig und sein Erbe nun mehr tot waren, war Edward IV. auf seinem Thron sicher. Seinem Bruder George verzieh Edward – doch als dieser 1478 erneut rebellierte, war auch Edwards Geduld am Ende. George wurde im Tower hingerichtet, angeblich ertränkt in einem Fass Wein.

Königswitwe

Edward IV. und Elizabeth Woodville hatten gemeinsam zehn Kinder, von denen acht das Kleinkinderalter überlebten, darunter die beiden Söhne Edward und Richard. Als Edward IV. 1483 plötzlich, vermutlich an einer Lungenentzündung, starb, war der Thronfolger keine 13 Jahre alt. Was nun folgte, inspirierte nicht nur Shakespeare, sondern brachte eins der größten Rätsel der Geschichte hervor.

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Da der junge Edward V. zu jung zum Regieren war, agierte sein Onkel Richard als Regent. Er fürchtete jedoch, die Woodvilles würden die komplette Macht an sich reißen. Er brachte den jungen König unter seine Kontrolle und in den Tower, wo man ihn angeblich auf seine Krönung vorbereite. Elizabeth Woodville floh erneut mit ihren Kindern ins Kirchenasyl. Doch Richard erreichte, dass sie ihren zweiten Sohn herausgab, und brachte diesen ebenfalls im Tower unter. Das Verhältnis zwischen Richard und Elizabeth verschärfte sich, er beschuldigte sie, sich gegen ihn zu verschwören und ließ ihren Bruder Anthony und ihren Sohn Richard Grey hinrichten.

RichardIII._by_lisby1Ob Richard die ganze Zeit schon vorgehabt hatte, selbst nach der Krone zu greifen, ist unklar, aber Fakt ist, dass plötzlich der Bischof von Bath and Wells verkündete, dass die Ehe zwischen Edward IV. und Elizabeth Woodville aufgrund eines vorehelichen Vertrages Edwards ungültig gewesen sei. Dies bedeutete, dass Edward V. und sein jüngerer Bruder illegitim waren und daher den Thron nicht erben konnten. Zufälle gibt’s. Richard bestieg also nun selbst als Richard III. den Thron. Doch dann verschwanden die beiden jungen Prinzen aus dem Tower bzw.  irgendwann sah man sie einfach nicht mehr. Ob Richard III. damit wirklich etwas zu tun hatte oder was mit ihnen passierte, ist bis heute unklar (siehe “Die Prinzen im Tower“).

Königinmutter

Elizabeth Woodville verbündete sich daraufhin mit Margaret Beaufort, Mutter des im Exil lebenden Lancaster-Erben Henry Tudor. Die beiden vereinbarten eine Ehe zwischen Henry und Elizabeths ältester Tochter Elizabeth von York, die nach dem Tod ihrer Brüder nun die York-Erbin war.

Nach außen hin versöhnte sich ElizabethElizabeth von York, Tochter von Elizabeth Woodville, als Königin Woodville mit dem König und verließ das Kirchenasyl. Ihr wurde zwar all ihr Grundbesitz, den Edward IV. ihr gegeben hatte, entzogen, doch Richard schwor öffentlich, dass weder ihr noch ihren Töchtern etwas geschehen solle und dass sie ihrem Rang als Dame Elizabeth Grey angemessen leben solle. Nach dem Tod von Richards Frau Anne Neville kam das Gerücht auf, er plane, seine Nichte Elizabeth von York selbst zu heiraten, was er jedoch abstritt.

Die Lancasters sahen nun ihre Gelegenheit gekommen und fielen in England ein. Der Rest ist, wie man sagt, Geschichte. Henry besiegte Richard bei der Schlacht von Bosworth, bestieg als Heinrich VII. den Thron und begründete die Dynastie der Tudors. Er heiratete Elizabeth von York, vereinte die Häuser Lancaster und York und beendete die Rosenkriege. Er machte zudem das Urteil, dass die Kinder Edwards IV. zu Bastarden und Richard III. zum König gemachte hatte, rückgängig. Elizabeth Woodville erhielt daher den Rang als Königswitwe zurück.

Zwei Jahre nach der Thronbesteigung ihres Schwiegersohns zog sich die inzwischen 50-jährige Elizabeth in ein Kloster zurück, um ihre verbleibenden Jahre in Ruhe und Einkehr zu begehen. Hier hatte vermutlich auch Margaret Beaufort ihre Hände im Spiel: Zu lange hatte sie dafür gekämpft, Königsmutter zu werden, und nur widerwillig räumte sie ihrer Schwiegertochter, der Königin, Vorrang ein. Das würde sie nicht auch noch für Elizabeth Woodville, die immerhin im Gegensatz zu ihr zur Königin gekrönt worden war, tun.

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Elizabeth Woodville erhielt regelmäßigen Besuch von ihren Töchtern. Der König schickte ihr eine Rente sowie kleine Geschenke. Sie wurde mit gebührendem Respekt behandelt. Sie kehrte nur an den Hof zurück, um bei den Geburten ihrer Enkel Margaret und Henry (dem späteren Heinrich VIII.) anwesend zu sein.

Am 8. Juni 1492 starb Elizabeth Woodville. Sie wurde auf eigenen Wunsch in einer schlichten Zeremonie im Grab ihres Ehemannes in der Kapelle von Windsor Castle beigesetzt.

Unbestreitbar war Elizabeth Woodville machthungrig und gierig, aber nicht nur für sich, sondern für ihre Familie. Der Gedanke, sich und ihre Familie abzusichern, wird sicher eine Rolle gespielt haben. Gemessen an ihrer Zeit war sie kaum “schlimmer” als ihre Zeitgenossen, mit dem bedeutenden Unterschied, dass sie eben eine Frau gewesen ist. Und dies in einer Zeit, in denen Frauen kein Ehrgeiz zugestanden wurde. Und trotz aller Verluste, die sie hinnehmen musste, hat sie es nicht nur geschafft, die Rosenkriege zu überleben. Sondern sie hielt ihre Familie auf dem Thron und ist so bis heute auf dem Thron Englands als Vorfahrin zugegen.

Fun Facts

  • Jacquetta von Luxemburgs Onkel war Anführer der Militäreinheit, die Johanna von Orleans gefangen nahm. Er war es auch, der Johanna später an die Engländer verkaufte.
  • Die Familie von Luxemburg behauptete in der Tat, sie würden durch ihren Vorfahr Siegfried von Luxemburg von der Wasserfee Melusine abstammen.
  • Edward IV. war erst der zweite König seit der normannischen Eroberung, der eine Untertanin heiratete. Und Elizabeth war die erste Untertanin, die zur Königin gekrönt wurde.
  • Als Edward IV. Elizabeth Woodville zum ersten Mal Avancen machte, musste sie sich angeblich mit einem Messer verteidigen, um nicht von ihm vergewaltigt zu werden. Bekanntermaßen die Basis einer jeden guten Ehe. Ironie aus.
  • Die wohl kurioseste Blüte, die Elizabeth Woodvilles Heiratspolitik trieb, war die Vermählung ihres Sohnes Richard mit der reichen Erbin Anne Mowbray – er war vier, sie fünf Jahre alt. Anne starb bereits mit neun, wodurch Richard im Alter von acht Jahren bereits Witwer war.
  • Lady Jane Grey ist gleich zweifache Nachfahrin von Elizabeth Woodville. Janes Mutter Frances Brandon war die Enkelin von Elizabeth von York (durch ihre jüngste Tochter Mary Tudor). Ihr Vater Henry Grey war der Enkel von Thomas Grey, dem ältesten Sohn aus Elizabeth Woodvilles erster Ehe.

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