Wir alle lieben Verschwörungstheorien. Roswell, Jack the Ripper, 9/11, der heilige Gral, das letzte Abendmahl. Je aufregender, desto besser, noch besser, wenn sie plausibel erscheinen. Nun nahm sich der amerikanische Autor Steve Barry in seinem neuesten Buch einer alten, wenngleich ausgesprochen umstrittenen Theorie an: die Legende des Bisley Boy, oder: war Elizabeth I. in Wahrheit ein Mann?

Die Legende des Bisley Boy

In dem kleinen Ort Bisley in Gloucestershire kursiert die Legende des Bisley Boy bereits seit Jahrhunderten. Bei den Feierlichkeiten zum 01. Mai ist es sogar Tradition, einen Jungen in weibliche Tudorkleider zu stecken. Wie diese Geschichte aufgekommen ist, wird sich vermutlich nie recht aufklären lassen. Kern der Legende ist, dass Elizabeth mit etwa 10 Jahren weg von der Pest in London in das Overcourt House in Bisley geschickt wurde. Dort erkrankte sie jedoch und starb, nur wenige Tage, bevor ihr Vater Heinrich VIII. seinen Besuch angekündigt hatten.

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Ihre Bediensteten Kat Asley und Thomas Parry fürchteten um ihr Leben und ersannen so den Plan, ein anderes Kind als Elizabeth auszugeben, um Zeit zu gewinnen. Heinrich sah seine Tochter nicht sehr häufig, sodass sie sich Chancen ausrechneten, ihn zu täuschen und zumindest etwas Zeit zu gewinnen, um eventuell außer Landes zu fliehen. Im Dorf fand sich jedoch kein Mädchen in Elizabeths Alter – wohl aber ein Junge (eben der Bisley Boy), der ihr Spielgefährte gewesen war und der in Haar- und Hautfarbe der Prinzessin sogar noch ähnlich sah. Schnurstracks wurde er in Elizabeths Kleider gesteckt und hergerichtet – und Heinrich fiel auf die Täuschung herein. So entschied man sich, einfach fortzufahren. Elizabeths Leichnam wurde in einem Steinsarg im Garten des Anwesens bestattet, und der Bisley Boy wurde auf sein zukünftiges Leben als Prinzessin Elizabeth vorbereitet.

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Ende des 19. Jahrhundert wurde dann der Autor Bram Stoker, aus dessen Feder “Dracula” stammt, auf die Geschichte des Bisley Boy aufmerksam. Anfang des Jahrhunderts wurde angeblich im Garten des Overcourt House ein Sarg gefunden, der ein Kinderskelett in Tudorkleidung beinhaltet hatte. Stoker begann, zu recherchieren und war schließlich überzeugt genug, um die Legende in sein Werk “Famous Impostors” aufzunehmen.

Die Argumente

Unterstützer der Legende des Bisley Boy führen zahlreiche Argumente, die ihre Meinung belegen sollen, ins Feld:

Elizabeth I. hat nie geheiratet und nie Kinder gehabt. Wie auch, wenn sie ein Mann gewesen wäre.

Sie sah für eine Frau ungewöhnlich aus und benahm sich auch anders als die Frauen ihrer Zeit. Sie war außergewöhnlich intelligent, durchsetzungsfähig und gewann Herzen eher durch Charisma und Persönlichkeit als durch außergewöhnliche, weibliche Schönheit.

Von ihr verfasste, bis heute erhaltene Briefe weisen nach 1544 eklatante Unterschiede zu früheren Briefen auf.

Geschichtsmythen: Bisley Boy - war Elizabeth I. ein Mann?

Sie trug aufwendige Perücken, dickes, weißes Make-up und andere Accessoires, um ihre männlichen Attribute zu verstecken.

Ihre Bediensteten hatten die Prinzessin gegen den Bisley Boy austauschen müssen, weil sie sonst bestraft worden wären.

Bereits während der Regentschaft von Elizabeths Bruder Edward kursierten Vermutungen, es gäbe ein gut gehütetes Geheimnis zwischen Elizabeth, Ashley und Parry.

Bis zu deren Lebensende waren Ashley und Perry engste Vertraute von Elizabeth, und angeblich diejenigen, die den Zugang zu ihr überwachten.

Auf ihrem Sterbebett verbot sie ausdrücklich eine Post-Mortem-Untersuchung ihres Körpers.

Angeblich wurde Anfang des 18. Jahrhunderts im Garten des Overcourt House ein Sarg gefunden, der ein Kinderskelett in aufwendiger Tudorbekleidung mit eingenähten Juwelen beinhaltet hatte.

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Die Löcher in der Story

Nette Geschichte. Aber wie man vielleicht schon raushört, bin ich alles andere als vom Bisley Boy überzeugt, denn:

Elizabeth war keine drei Jahre alt, als ihr Vater ihre Mutter Anne Boleyn hinrichten ließ. Sie war acht Jahre alt, als ihre junge  Stiefmutter Katherine Howard das gleiche Schicksal erlitt. Mit 13 Jahren war Thomas Seymour, der neue Ehemann ihrer letzten Stiefmutter Catherine Parr, an ihr interessiert, und gerüchteweise belästigte er sie sexuell. Braucht es noch mehr Gründe, Männern und der Ehe gegenüber eher unbegeistert zu sein?

Elizabeth unterschied sich deutlich von anderen Frauen ihrer Zeit, weil sie eine außergewöhnliche Frau war. Nicht umsonst wurde ein ganzes Zeitalter nach ihr benannt.

Elizabeth legte sehr viel Wert auf ihr Aussehen und versuchte, um jeden Preis die Spuren der Zeit und einer beinahe tödlichen Pockenerkrankung zu verbergen. Perücken und Make-up waren da ein probates Mittel, und der weite Kragen, der angeblich den Adamsapfel verstecken sollte, war damals schlicht und ergreifend in Mode. Und kein Make-Up der Welt kann einen Stimmbruch oder eine männliche Stimme verbergen!

Die Bediensteten dachten also, Heinrich VIII. hätte sie hingerichtet, wäre sein Kind unter ihrer Obhut gestorben. Heinrich hatte bereits vier Kinder im Säuglingsalter verloren, und kein Bediensteter hatte hierfür seinen Kopf verloren. Zudem war Heinrichs Sohn Edward bereits auf der Welt, und Elizabeth war von der Thronfolge ausgeschlossen worden. Für die Dynastie war sie de facto also kaum von Wert.

Dann gab es also ein Geheimnis. Ich wette, jede historisch bedeutende Person hat dutzende von verheerenden Geheimnissen gehütet. Nachdem Catherine Parr ihren Ehemann und die Prinzessin in kompromittierender Situation erwischt hatte, schickte sie Elizabeth fort. Schon damals kursierten Gerüchte, Elizabeth habe ein Kind von Seymour empfangen – etwas, das sich als Geheimnis durchaus lohnen würde.

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Kat Ashley war der Ers446px-Elizabeth_I_in_coronation_robesatz für die Mutter, die Elizabeth an den Henker verloren hatte. Sie stand in der dunkelsten Zeit an Elizabeths Seite, war mit ihr im Tower, als Elizabeth fürchten musste, ihre Halbschwester Mary würde ihren Tod befehlen. Natürlich war Kat Ashley eine der wichtigsten Personen in Elizabeths Leben.

Elizabeth pflegte zeit ihres Lebens einen großen Kult um sich. Eine Untersuchung ihres Leichnams, gerade in einer Zeit, in der dieses Thema alles andere als allgegenwärtig war, hätte enttarnt, dass sie doch nur ein Mensch gewesen war – ein großer Kratzer im Andenken der quasi gottgleichen “Gloriana”.

Selbst wenn dieser Sargfund tatsächlich stattgefunden hätte: Wenn man Elizabeths Tod wirklich verheimlichen wollte, warum um Himmels willen sollte man sie dann mit reicher, juwelenbesetzer Kleidung, die sie eindeutig als von hohem Stand auswies, begraben?

 

Natürlich lieben wir Verschwörungstheorien. Und solange man keine Zeitmaschine erfindet, oder den fehlerlosen Lügendetektor, wird es sie auch immer geben. Und sicher mag sich jeder seine eigene Meinung zu jeder Theorie machen, doch mein persönliches Urteil über dieses “Mysterium” lautet, dass der Bisley Boy ins Reich der Mythen gehört.

 

 Links:

http://www.dailymail.co.uk/news/article-2337774/Is-proof-Virgin-Queen-imposter-drag-Shocking-new-theory-Elizabeth-I-unearthed-historic-manuscripts.html

http://www.elizabethfiles.com/the-bisley-boy/3255/

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