Die britische Thronfolge hat seit dem 16. Jahrhundert eine Menge ungewöhnlicher Wendungen genommen. Man stellt sich Thronfolge oft so leicht vor: Ein König herrscht, und sein ältester Sohn folgt ihm nach. Aber was, wenn es keinen Sohn gibt? Wenn der Thronfolger die falsche Religion hat? Die falsche Frau heiratet und der falschen Politik folgte? Oder es gar eine Weile lang gar keinen König gab?

Auf welchem Weg die britische Thronfolge von Heinrich VII. zu Elizabeth II. und nun Charles III. gelangt ist, will ich Dir in diesem und weiteren Artikeln zeigen.

Hier findest Du die Thronfolge der Häuser Hannover und Sachsen-Coburg und Gotha

Hier findest Du die Thronfolge des Hauses Windsor

Die Tudors: Thronfolge in Blut und Chaos

An dieser Stelle machst Du Dich am besten gleich frei von der Meinung, Thronfolge entscheide sich allein durch Erbrecht, und wer dynastisch den größten Anspruch auf den Thron hat, wird König. Geschichte ist selten so simpel. Und der Wille zur Macht, unbändiger Ehrgeiz, mächtige Verbündete oder eine große Armee waren oft genug viel ausschlaggebendere  Faktoren. Der Aufstieg der Tudor-Dynastie selbst ist ein Beweis für diesen Umstand.

Die Tudor-Dynastie kam in Gestalt von Henry Tudor aka. Heinrich VII. aus dem Haus Lancaster im Jahr 1485 auf den Thron. Die Eltern Heinrichs VII., Edmund Tudor und Margaret Beaufort, entstammten zwar beide königlichem Blut, aber ihr Anspruch war bestenfalls diskutabel. Die Beauforts stammten von einem unehelichen Sohn John of Gaunts ab, der erst legitimiert wurde, als seine Eltern doch schließlich heirateten. Allerdings verfügte Heinrich IV. zu seiner Zeit, dass die Beaufort-Linie zwar legitim, aber ohne Anspruch auf den Thron sei. Edmund Tudor wiederum war der Sohn des Höflings Owen Tudor, der nach dem Tod Heinrich V. dessen Witwe Katharina von Valois heiratete. Ob die Ehe bei Edmunds Geburt schon geschlossen war, ist ungeklärt.

Heinrich erstritt die Krone bei der Schlacht von Bosworth und beendete so die jahrzehntelangen Rosenkriege zwischen den Häusern York und Lancaster. Mannstärke und Glück in der Schlacht brachten ihn letztlich auf den Thron, aber seine Herrschaft begann wacklig. Er musste mehr als einen Aufstand niederschlagen und mehr als einen Thronprätendenten abwehren.

Auch die Hochzeit mit einer Prinzessin aus dem Hause York war wichtig, um ihm die Unterstützung der Yorkisten zu sichern. So blieb Heinrich VII. auf dem Thron, und seine Ehe mit Elizabeth of York brachte zahlreiche Kinder und auch zwei Söhne hervor. Die Tudor-Dynastie schien gesichert. Sein ältester Sohn Arthur verstarb zwar jung, aber sein jüngerer Sohn Heinrich folgte seinem Vater 1509 auf den Thron.

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Heinrich VIII. war also erst der zweite Monarch einer jungen und nicht unumstrittenen Dynastie. Eine gesicherte Thronfolge musste her, und dies bedeutete: Söhne! Leider erwies sich das als großes Problem, und selbst sechs Ehefrauen konnten ihm nur einen einzigen männlichen Thronfolger gebären. Dieser Sohn wurde 1547 mit nur neun Jahren Edward VI. Und bereits mit 15 raffte ihn eine Krankheit dahin. Was nun?

Testamentarisch hatte Heinrich VIII. nach Edward seine Töchter Mary und Elizabeth als Erbinnen benannt, wenngleich in England noch nie eine Frau geherrscht hatte. Zu den schlimmen Erinnerungen an die Gräuel der Rosenkriege war inzwischen auch die Loslösung von der katholischen Kirche und die Gründung der anglikanischen Kirche gekommen. Edward war, anders als seine älteste Schwester Mary, im neuen Glauben erzogen worden. Um nun die katholische Mary vom Thron fernzuhalten, ernannte Edward kurz vor seinem Tod seine Cousine Lady Jane Grey zu seiner Erbin. Jane war die Enkelin der jüngeren Schwester Heinrichs VIII. Doch Mary hatte viele Unterstützer, denn katholisch oder nicht, sie war die Tochter Heinrichs VIII., der sehr verehrt wurde. So stieß sie Jane nach nur neun Tagen vom Thron und wurde zu Englands erster unumstrittenen Königin Mary I.

Sie entstammte Heinrichs erster Ehe mit Katharina von Aragon, und dies bedeutete, dass Mary mit 37 Jahren den Thron bestieg. Für jene Zeit fast schon zu alt, um ein Kind zu haben, geschweige denn mehrere. Und es verging noch ein Jahr, bis sie Philip von Spanien heiratete. Die Ehe blieb kinderlos und unglücklich, und Mary starb 1558, nach nur fünf Jahren auf dem Thron.

Diesmal gab es keinen Zweifel, dass ihr ihre Halbschwester Elizabeth folgen würde. Die junge protestantische Prinzessin war hochgebildet und beim Volk beliebt. Doch sie hatte sowohl das Schicksal ihrer Mutter Anne Boleyn als auch ihrer Stiefmutter Katherine Howard (die ihr Vater beide aufs Schafott geschickt hatte) vor Augen. Außerdem war ihr vermutlich der Gedanke, ihre harterkämpfte Macht an einen Ehemann abgeben zu müssen, ein Greuel.

Ergo: Elizabeth I. blieb unverheiratet, kinderlos und ging als “Virgin Queen” in die Geschichte ein. Die Tudor-Dynastie starb mit ihr aus – wie sollte es jetzt weitergehen?

 

Die Stuarts: Von gekrönten und verlorenen HäupternDer kuriose Weg der britischen Thronfolge: Von den Tudors zu den Stuarts

Auftritt der Stuarts, der Dynastie, die zu jener Zeit über Schottland herrschte. Die ältere Schwester Heinrichs VIII., Margaret, wurde 1503 mit James IV. von Schottland verheiratet. Harmonische Beziehungen zwischen England und Schottland schaffte diese Verbindung jedoch nicht. Deswegen wurde der Thronanspruch von Margarets Linie eher ignoriert, gerade, nachdem Heinrich VIII. selbst Kinder hatte. Als nun jedoch sein letztes Kind jungfräulich gestorben war und die Nachkommen seiner Schwester Mary durch den Putsch um Lady Jane Grey untragbar waren, stand James VI. von Schottland auf der Liste der Thronerben plötzlich ganz oben. James war der Sohn von Maria Stuart, die bereits auf dem Schafott gestorben war, und somit Urenkel von Margaret Tudor. So wurde er James I. von England und vereinigte beide Königreiche unter einem Monarchen.

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James hatte bereits zwei Söhne, als er englischer König wurde, also schien zumindest die Thronfolge gesichert. Selbst nachdem sein ältester Sohn mit 18 Jahren starb, gab es da immer noch den jüngeren Sohn Charles. Das geflügelte Wort sprach davon, dass ein König “an heir and a spare” (einen Erben und einen Ersatz) haben sollte, also wurde aus Charles 1625 König Charles I. Dies war das erste Mal seit fast 80 Jahren, dass die englische Krone komplikationslos von Vater auf Sohn überging.

Nun war Charles, wie auch sein Vater, ein Verfechter der Ansicht, Könige seien von Gott eingesetzt und hätten daher unbeschränkte Macht. In England hatte jedoch auch das Parlament einen großen Einfluss. Spätestens aus dem Grund, dass es dem König finanzielle Mittel zubilligen konnte.

Auch die Ehe des Königs mit einer Katholikin und die Annäherung an Rom kam bei der starken puritanischen Partei im Unterhaus nicht gut an. Es kam schließlich zum Zerwürfnis zwischen Krone und Parlament. Der englische Bürgerkrieg brach im Jahr 1642 aus. Charles I. unterlag dem Revolutionsführers Oliver Cromwell, wurde wegen Hochverrates zum Tode verurteilt und 1649 hingerichtet.

Für einige Jahre wurde England zu einer Republik unter Lordprotektor Cromwell. Doch die Republik überdauerte seinen Tod 1658 nur um wenige Jahre, da sein Sohn nicht in der Lage war, an die Erfolge des Vaters anzuknüpfen. So ernannte das Parlament 1660 den Sohn Charles’ I., den 30-jährigen Charles II., zum König und führte somit die Monarchie wieder ein. Der lebenslustige Charles hatte bislang im französischen Exil gelebt. Mit seiner Thronbesteigung endete die Herrschaft der englischen Puritaner und brachte ihm den Zunamen “Merry Monarch” ein.

Wenngleich Charles II. bis zu 350 illegitime Kinder nachgesagt wurden, hinterließ er bei seinem Tod 1685 keinen legitimen Erben von seiner Ehefrau Katharina von Braganza. So fiel die Krone an seinen Bruder James II.

Fun Fact: Als die Briten das heutige New York von den Niederländern eroberten, trug James den Titel Herzog von York. Zu seinen Ehren wurde das ehemalige Nieuw Amsterdam in New York umbenannt.

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Glorious Revolution und ihre FolgenDer kuriose Weg der britischen Thronfolge: Von den Tudors zu den Stuarts

Nun hatte James II. leider nur wenig aus dem Schicksal seines Vaters gelernt. Bereits zu Lebzeiten von Charles II. war James zum Katholizismus konvertiert und hatte eine Katholikin geheiratet. Als König machte er nun recht unverhohlen katholische Politik und sah es auch nur sehr begrenzt ein, sich vom Parlament reinreden zu lassen.

Es kam, was kommen musste: Hochrangige englische Protestanten nahmen Kontakt zu Wilhelm von Oranien, Schwiegersohn von James II. und Vorreiter des Protestantismus, auf und ersuchten ihn, in England einzufallen und den Thron für sich und seine Frau Mary zu beanspruchen. Sie luden sich ihren Eroberer gewissermaßen ein. Und so geschah es: Die “Glorious Revolution” stieß James II. 1689 vom Thron und setzte Mary II. und William II. als Königspaar drauf. Man erlaubte James, nach Frankreich zu fliehen.

Jedoch starb Mary 1694 an den Pocken, und das Paar hatte keine Kinder. Wilhelm III. war allerdings auch König aus eigenem Recht. Also herrschte er auch nach Marys Tod weiter, bis er selbst 1702 bei einem Reitunfall starb.

Ihm folgte Marys jüngere Schwester Anne auf den Thron. Annes Geschichte ist besonders tragisch: Sie war ganze achtzehnmal schwanger, doch dreizehnmal erlitt sie eine Fehl- oder Totgeburt, viermal starb das Kind als Kleinkind, und das einzige Kind, das diese Phase überlebt, starb mit 11 Jahren an den Pocken. Persönlich unvorstellbar tragisch, dynastisch eine Katastrophe.

Da Annes Schwangerschaften allesamt noch zu Lebzeiten Williams III. fehlgeschlagen waren, war abzusehen, dass nach Annes Herrschaft kein direkter Thronfolger da sein würde. Man fürchtete, James II. könnte den Thron für sich und seine Nachkommen erneut einfordern. Also erließ das englische Parlament bereits 1701 den “Act of Settlement”. Dieses Gesetz schloss alle Katholiken oder deren Ehepartner von der Thronfolge aus und ernannte als Thronfolgerin Königin Annes Sophie von Hannover, Enkelin James’ I., und deren protestantische Nachkommen. Hierbei wurden zahlreiche katholische Thronfolger übersprungen, inkl. James II., sein Sohn und Enkel.

Dies führte zu jahrzehntelangen Aufständen schottischer, englischer und irischer Anhänger des Hauses Stuart. Sie erkannten den “Act of Settlement” nicht an und sahen den Katholiken James und seine Nachfahren als den wahren König an. Sie trugen daher den Namen “Jakobiten”.

 

Im nächsten Teil geht es mit dem Weg der britischen Thronfolge vom Haus Hannover zu den Windsors weiter.

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