Jane Grey, wenn auch namentlich keine Tudor, ging als die Neun-Tage-Königin in die Geschichte ein. Doch sehr viel mehr, als dass sie die kürzeste Regentschaft in Englands Geschichte hatte, wissen die meisten nicht über sie. Dem will ich Abhilfe schaffen.

Jane Greys Ursprung

Jane Grey wurde zwischen 1536 und 1537 geboren. Sie war das älteste überlebende Kind von Henry Grey, 1. Duke of Suffolk und Frances Brandon, Tochter Mary Tudors, der jüngeren Schwester Heinrichs VIII. Da die Nachfahren von Heinrichs älterer Schwester Margaret per Ehevertrag von der Thronfolge ausgeschlossen waren (was einige Jahrzehnte später nicht mehr interessierte, wie das eben so ist), war Jane eine Anwärterin auf den Thron, gleich nach den Kindern Heinrichs VIII. und ihrer eigenen Mutter.

Die vergessenen Tudors: Lady Jane Grey

Jane Grey war ein ausgesprochen intelligentes und gelehriges Kind. Als sie zehn Jahre alt war, wurde sie in den Haushalt der frisch verwitweten Königin Catherine Parr aufgenommen, wo sie zusammen mit ihrer Cousine, der späteren Elizabeth I. lebte. Beide erhielten eine außerordentlich gute Bildung, und während Elizabeth bereits als sehr intelligent galt, bezeichneten gleich zwei gemeinsame Lehrer Jane als die klügere von den beiden.

Die Praxis, seine Kinder in anderen Haushalten ausbilden zu lassen, war damals in jenen Kreisen üblich. Doch Catherine Parrs neuer EhemannDie vergessenen Tudors: Lady Jane Grey Thomas Seymour, Bruder der verstorbenen Königin Jane Seymour, hatte ganz andere Gründe, sich um Janes Vormundschaft zu bemühen. Er plante, sie mit dem jungen König Edward VI. zu verheiraten, während er selbst bereits der Prinzessin Elizabeth Avancen machte – noch zu Lebzeiten Catherine Parrs und als diese mit seinem Kind schwanger war. Dieser hochsympathische Mann wollte England unter seine Kontrolle bringen, doch das Schicksal wollte es anders. Catherine bekam die Absichten ihres Mannes, sich an sein Mündel Elizabeth ranzumachen, mit und schickte die Prinzessin fort.

Wenige Monate später starb Catherine Parr im Kindbett. Janes Eltern weigerten sich, ihre Tochter in einem Haushalt zu lassen, dem keine Frau, sondern ein Mann mit zweifelhaften Absichten vorstand. Und schließlich flogen die ehrgeizigen Ambitionen Thomas Seymours auf, er wurde wegen Hochverrat verhaftet, und der König unterzeichnete das Todesurteil seines Onkels, ohne mit der Wimper zu zucken.

 

Weg zum Thron

Jane Grey setzte ihre Ausbildung im Haus ihrer Eltern fort, und wie diese war sie dem Protestantismus sehr zugetan. Sie galt schnell als der aufgehende Stern der englischen Protestanten, und zudem stand sie dem Thron nahe – schnell tauchte der nächste Adelige, der Jane für seine Ambitionen nutzen wollte, auf.

John Dudley, der Herzog von Northumberland, war Regent für den noch minderjährigen König. Der streng protestantisch erzogene König Edward litt wahrscheinlich an Tuberkulose, und um einen katholischen Thronfolger (in Gestalt seiner Schwester Mary) zu verhindern, schrieb Edward ein Testament, das den letzten Willen seines Vaters ignorierte. Heinrich VIII. hatte seine Töchter nach seinem Sohn in die Thronfolge aufgenommen, doch Edward bestimmte nun die neue protestantische Hoffnung Lady Jane Grey zu seiner Nachfolgerin. Damit überging er nicht nur seine Schwestern, sondern auch Janes Mutter Frances.

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Inwieweit Dudley Einfluss auf diese Entscheidung des Königs genommen hat, ist nicht völlig geklärt, doch kurz vor Edwards Tod wurde Jane mit Dudleys Sohn Guildford verheiratet. Der Schwiegervater der zukünftigen Königin zu werden, kam Dudleys Ehrgeiz jedoch bestimmt nicht ungelegen.

Jane Grey wird häufig als hilfloses Opfer der Ambitionen Anderer gesehen, aber dies wird ihr nicht ganz gerecht. Sie war nicht nur außergewöhnlich intelligent, sondern besaß neben einem ausgeprägten Selbstbewusstsein auch eine scharfe Zunge und ein recht hitziges Temperament. Zudem hatte sie sich dem Protestantismus verschrieben und lehnte den alten Glauben strikt ab. Schon früh hatte diese Ablehnung zu Konflikten mit ihrer streng katholischen Cousine Mary geführt, und obwohl Jane sicher nicht gern Königin sein wollte, nahm sie die Krone an, um England vor dem Katholizismus ihrer Cousine zu bewahren.

Edward VI. ernannte Jane auf seinem Sterbebett zu seiner Nachfolgerin, bevor er am 06. Juli 1553 starb. Eine Handlung, die alles andere als unumstritten war, denn zum einen widersprach Edward Gesetz und Willen seines Vaters, und zum anderen hätte der minderjährige König die Thronfolge nicht ändern dürfen. Schnell versuchten daher Dudley und seine Getreuen, die Prinzessinnen Mary und Elizabeth in ihre Gewalt zu bekommen. Doch während Elizabeth Krankheit vorschützte, wurde Mary gewarnt und floh in den Schutz der katholischen Howard-Familie. Jane währenddessen, als Dudley sie am 09. Juli zur Königin ausrief und die Adeligen ihr die Treue schworen, brach in Tränen aus.

 

Jane Grey als Königin

Doch die dramatische Geste, die sie in vielen Augen erneut zum armen Opfer machte, war vermutlich Kalkül. Jane war die geänderte Thronfolge bereits seit mehreren Tagen bekannt gewesen, und wenngleich sie sicher nicht um die Krone gebeten hatte, sah und ergriff sie die Gelegenheit, ihr Land vor dem Rückfall an Rom zu bewahren.

Die vergessenen Tudors: Lady Jane Grey

Doch nur einen Tag später hatte auch Mary zur Königin ausgerufen. Jane und ihre Getreuen hielten jedoch den Tower von London und hatten zudem das Parlament auf ihrer Seite. Marys Erfolgsaussichten schienen gering, doch schon bald trat ein mächtiger Verbündeter Marys auf den Plan: Das Volk. Marys Vater Heinrich war, so unlogisch das auch gewesen sein mag, beim Volk sehr beliebt gewesen, und Mary war als seine Tochter sowohl beliebt als auch bekannt. Jane Grey kannte so gut wie niemand, wohl jedoch kannte und hasste man John Dudley.

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Marys Anhänger sammelten sich um sie, und Jane stellte eine Armee auf, um Mary zu schlagen. Doch immer weitere Grafschaften und ganze Teile der Armee liefen zu Mary über. Schließlich verließen auch zahlreiche Adelige Jane und proklamierten Mary als Königin, und schlussendlich gab auch John Dudley auf. Mary wurde am 18. Juli in London als Königin ausgerufen und Dudley, Jane, ihr Ehemann und ihr Vater wurden im Tower inhaftiert. Mary ließ Janes Vater schon bald wieder frei, doch Jane, die immerhin Dokument mit “Jane the Quene” (Jane, die Königin) unterzeichnet hatte, blieb in Haft.

 

Gefangene

Obwohl sie dazu gedrängt wurde, hatte Mary nicht vor, ihre 16-jährige Cousine als Hochverräterin hinrichten zu lassen. John Dudley jedoch wurde am 21. August hingerichtet, obwohl er kurz zuvor noch zum katholischen Glauben konvertiert war. Als Jane davon erfuhr, war sie außer sich und beteuerte, selbst nie ihrem Glauben abzuschwören, um ihr Leben zu retten.

In den folgenden Monaten verlief das Leben für Jane im Tower ereignislos, aber sie war nicht vergessen worden. Als der Herbst nahte, stimmte Mary unter immensem Druck ihrer Unterstützer, die eine Bestrafung der am Staatsstreich Beteiligten forderten, zu, dass Jane und ihr Ehemann vor Gericht gestellt werden sollten. Eine Form von Gerechtigkeit musste sichtbar werden, und in Marys Augen war der Prozess eine Formalität, die dazu beitragen würde, diejenigen zu beruhigen, die sie drängten, gegen ihre Cousine vorzugehen. Als Königin war es Marys Vorrecht, Barmherzigkeit zu gewähren, wo sie es für richtig hielt.

Am Morgen des 13. November wurden Jane und Guildford zu Fuß vom Tower zum Guildhall gebracht. Während sie durch die Straßen gingen, „mit der Axt vor ihnen“ gemäß dem üblichen Verfahren, versammelten sich die Menschen, um zuzusehen, aber Jane war vertieft in das Gebetbuch, das in ihren Händen offen lag.

Bei ihrer Ankunft im Guildhall wurden die Gefangenen in die Große Halle eskortiert, wo ihr Prozess in einem Raum voller Zuschauer stattfand. Eine ganze Reihe von Marys Unterstützern war ernannt worden, um die Verhandlungen zu überwachen, angeführt vom Herzog von Norfolk. Die Königin hatte denen, die über das Urteil entscheiden sollten, befohlen, sich „fleißig“ der Aufgabe zu widmen und sicherzustellen, dass Gerechtigkeit herrsche.

Die Anklagen gegen Jane wurden verlesen und die Beweise dem Gericht vorgelegt: Jane hatte „falsch und verräterisch“ die Krone Englands angenommen und sich als „Jane die Königin“ anerkannt und dadurch Mary ihres „königlichen Status, Titels, Ranges und ihrer Macht über ihr Königreich England“ beraubt. Damit hatte sie Hochverrat begangen.

Alle Augen waren auf Jane gerichtet, als das Gericht darauf wartete, wie sie auf die Anklagen plädieren würde. Ihre Antwort kam bald genug: „Schuldig.“ Dieses eine Wort stellte Jane „in die Gnade der Königin“ und als solche war das Urteil des Gerichts eine ausgemachte Sache: Jane und ihr Ehemann wurden des Verrats für schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Für Jane lautete das Urteil, dass „auf Anordnung der Königin selbst“ sie „verbrannt oder der Kopf abgeschlagen werden sollte, wie es dann der Königin gefiele“.

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Nach ihrer Verurteilung wurden Jane und Guildford in den Tower zurückgebracht, um dort auf Marys Entscheidung über ihr Schicksal zu warten. Trotz der Schwere des verhängten Urteils blieb Mary jedoch ihrem anfänglichen Wunsch treu, Barmherzigkeit zu zeigen, und es wurde allgemein geglaubt, dass „Jane nicht sterben wird“. Das Leben als Gefangene im Tower begann für Jane wieder seinen normalen Lauf zu nehmen, da offensichtlich wurde, dass das gegen sie verhängte Urteil nicht vollstreckt werden würde.

Als allerdings im Januar 1554 Sir Thomas Wyatt eine protestantische Revolte gegen Mary anführte, wendete sich das Blatt. Außer Marys Absetzung war Janes Befreiung ein Ziel der Aufständischen gewesen, und zudem hatte Janes Vater sich dem Aufstand angeschlossen. Mary erkannte, dass Jane Grey als Leitfigur der Protestanten immer eine Gefahr für sie und ihren Thron darstellen würde. Ihre Hinrichtung anzuordnen dürfte ihr dennoch schwergefallen sein.

Um Jane jedoch nicht als “Ketzerin” sterben zu lassen, schickte Mary ihren eigenen Kaplan John de Feckenham in den Tower, um Jane zu konvertieren. Doch Jane stand zu ihrem Glauben und nötigte sogar Marys Kaplan Respekt ab. de Feckenham soll Jane sogar am 12. Februar zum Schafott begleitet haben.

Die vergessenen Tudors: Lady Jane Grey

Jane Grey wurde eine Hinrichtung auf dem Tower Green gewährt. Ihr Ehemann hatte dieses Glück nicht gehabt – der Karren mit seinem Leichnam begegnete Jane, als sie selbst zum Schafott ging. Doch Jane blieb erstaunlich gefasst, betrat das Schafott, sprach ihre letzten Worte, kniete vor dem Block nieder und ließ sich die Augen verbinden. Doch als sie nun nach dem Block greifen wollte, um ihren Kopf darauf zu legen, fand sie ihn nicht. Ihre ruhige Fassade bekam Risse, als sie nicht wusste, was sie tun sollte und begann, panisch zu werden. Schließlich führte jemand ihre Hand zum Block, und sie konnte ihren Kopf darauf legen. Sie starb durch einen einzigen Axthieb.

Jane Grey ist eine Figur der Geschichte, über die bis heute viel gesprochen, geschrieben und spekuliert wird. Der Mythos der Neun-Tage-Königin ließ ihr Andenken überleben, und ob sie rechtmäßige Thronerbin oder Usurpatorin, Opfer oder Leitfigur war, wird die Geister wohl noch eine Weile beschäftigen.

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2 Comments

  1. Petra Block says:

    Hallo Stefanie,
    diese Seiten der englischen Geschichte sind unglaublich interessant. du hast wahnsinnig gutes Material zusammengetragen. trotzdem kann ich hier nicht weiterlesen, denn es ist fürchterlich anstrengend den ausschließlich großen Buchstaben zu folgen.
    Schade!

    Viele Grüße von Petra

    1. StefanieNorden says:

      Hallo Petra,
      versuch es jetzt noch mal, die Schriftart ist neu 🙂
      Viele Grüße
      Stefanie

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