Heute will ich Euch eine Organisation vorstellen, ohne die mein und vermutlich auch das Leben vieler anderer Geschichtsfans deutlich ärmer wäre: Historic Royal Palaces.
Historic Royal Palaces ist die gemeinnützige Organisation, die die ehemals königlichen Paläste Hampton Court Palace, Kensington Palace, Kew Palace, Banqueting House, Hillsborough Castle sowie den Tower of London betreut. Die mehrteilige Dokumentation “Tales From The Palaces“* betrachtet die Arbeit in den Palästen, präsentiert viele Einblicke, die normalen Besuchern verwehrt bleiben und lieferte mir viele Informationen, die ich in diesem Artikel für Euch aufbereiten will.
Historic Royal Palaces: Worum geht es?
Schlösser, die vom Königshaus nicht mehr genutzt werden, können von Historic Royal Palaces übernommen, erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Schlösser gehören zwar nach wie vor der Queen, erhalten aber weder vom Königshaus noch von der Regierung finanzielle Unterstützung. Die Paläste müssen sich daher vollständig von den Eintrittsgeldern der Besucher, dem Verkauf von Souvenirs etc. finanzieren.
Der Erhalt der bis zu nahezu einem Jahrtausend alten Paläste stellt eine enorme Herausforderung dar. Es braucht dazu nicht nur viel Arbeit und Herzblut, sondern nicht zuletzt eine Menge Geld.
Je mehr Besucher, desto besser?
Dies wäre eine Schlussfolgerung, die man ziehen könnte, doch so einfach ist es leider nicht. Während die Besucher zwar die dringend benötigten finanziellen Mittel liefern, unterwerfen sie die Paläste auch großen Belastungen. Altes Mauerwerk wird von Rucksackschnallen zerkratzt. Die königliche Kirchenbank Heinrich VIII. muss heute mehr als nur einen König tragen. Und der Staub, den die Besucher hereintragen, fügt alten Räumen und ihrer Ausstattung weiteren Schaden zu.
Der Tower of London ist der beliebteste Palast und muss jedes Jahr mit 2 Mio. Besuchern fertig werden. Er ist zudem der einzige Palast, der ein finanzielles Plus einspielt und der daher auch die anderen Paläste mitfinanzieren muss. In Hampton Court sind es immerhin noch 500.000 Besucher im Jahr, die durch den hineingetragenen Staub vor allem den berühmten Wandteppichen aus der Zeit Heinrichs VIII. zusetzen.
Doch um die Gebäude zu schonen oder zu reparieren, müsste das Besuchererlebnis eingeschränkt werden, z.B. durch staubdichte Schutzanzüge. Oder es müssten Teile des Palastes für notwendige Reparaturen geschlossen werden. Letzteres lässt sich nicht immer vermeiden, ist jedoch finanziell spürbar.
Reenactment
Um das Interesse und somit die Besucherzahlen zu fördern, kommen in den Palästen kostümierte Reenactor zum Einsatz, die bestimmte Episoden aus der Geschichte der Paläste zum Leben erwecken. So kann in Hampton Court an einer Audienz von Heinrich VIII. teilgenommen werden oder im Tower der Raub der Kronjuwelen durch Colonel Blood miterlebt werden. Die beleuchteten Zeiten wechseln regelmäßig und stehen dieses Jahr ganz im Zeichen des 300. Jubiläums der englisch-deutschen Personalunion.
Zu Anfang stand jedoch nicht jeder diesem Engagement positiv gegenüber. Es wurde “Disneyfication” befürchtet, also dass die Vermittlung von Geschichte zu einem Vergnügungspark verkäme. Deshalb wird von der Agentur Past Pleasures, die mit dem Reenactment von Historic Royal Palaces beauftragt wurde, sehr auf Details und historische Korrektheit geachtet. Die eingesetzten Reenactor müssen nach Aussage des Chefs Mark Wallis Schauspieler, Historiker und Lehrer in einem sein. Und wenngleich eine hundertprozentige Genauigkeit nur schwer möglich sein sollte, wird jeder Darsteller detailliert für seine jeweilige Rolle geschult. Zudem wird auf Details geachtet, die kein Besucher je zu Gesicht bekommen dürfte. Zum Beispiel werden die Damen in authentische Korsettstangen aus Walknochen gesteckt.
Vom Umgang mit Familiengeschichte
Nun ist es nicht nur die Geschichte eine Landes, mit der sich Historic Royal Palaces befasst. Es ist die Geschichte einer Familie, die bis heute auf dem englischen Thron sitzt. Neben dem Wunsch, über Geschichte zu informieren, ist also ein gewisses Maß an Sensibilität gefragt. Und das Königshaus hat ein großes Mitspracherecht, was in den Palästen gemacht wird und was nicht.
Eine heikle Geschichte ist beispielsweise das Leben von George III. der zwischen 1760 und 1820 über England herrschte und an einer bis heute nicht vollständig geklärten Krankheit litt, die damals nur als Wahnsinn ausgelegt werden konnte. Während der schlimmsten Phasen seiner Krankheit wurde er in Kew Palace mehr oder minder gefangen gehalten und mit recht grausamen (und unsinnigen) Heilmethoden traktiert.
Ein weiterer Fall, mit dem äußerst vorsichtig umgegangen werden muss, ist Prinzessin Diana, deren tragischer Tod gerade einmal 16 Jahre zurückliegt. Hier geht es nicht nur um geschichtliche Figuren, sondern um Familienangehörige. Allem öffentlichen Interesse entgegen wird es vermutlich noch lange dauern, bis beispielsweise Dianas ehemalige Gemächer im Kensington Palace der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Altes Handwerk
Sowohl für das Besuchererlebnis als auch für die wissenschaftliche Forschung oder schlicht aus Notwendigkeit heraus sorgt Historic Royal Palaces dafür, dass alte Handwerkskünste aufrecht erhalten oder wiederbelebt werden. Müssen beispielsweise die charakteristischen roten Ziegel an Fassade oder Schornsteinen von Hampton Court ersetzt werden, müssen die neuen Ziegel handgefertigt werden, um in die Optik der jahrhundertealten Fassade zu passen. Auch die Kostüme der Reeanactor werden per Hand und unter Berücksichtigung historischer Korrektheit gefertigt.
Das sichtbarste Beispiel der Pflege alten Handwerks sind jedoch die Küchen in Hampton Court. Unter der Leitung von zwei Food-Historikern wird dort der Betrieb einer Küche, die den königlichen Hof in der Vergangenheit versorgen musste. Von Küchengeräten über Zubereitungsarten bis hin zur Kleidung des Küchenpersonals blieb das Team so authentisch an der Geschichte wie nur irgend möglich. Dabei können sie von den Besuchern des Palastes beobachtet werden. Dieses Jahr können dort sowohl die Tudorküche als auch die Küche der Georgians bestaunt werden.
Alte Paläste: Auf dem Weg in die Zukunft
Auch zukünftige Generationen sollen diese Paläste besuchen und Jahrhunderte der Geschichte hautnah miterleben können. Darum ist der Erhalt dieser Gebäude ein wichtiger Faktor, so schwierig er auch sein mag. Organisationen wie Historic Royal Palaces sind unverzichtbar, um das Erbe der Geschichte auch über die kommenden Jahrzehnte – oder am besten Jahrhunderte – hinweg am Leben zu erhalten und immer neue Generationen für die Faszination der Vergangenheit zu begeistern.
Neben Eintritten und Spenden kann man Historic Royal Palaces auch durch Mitgliedschaften unterstützen, die u.a. freien Eintritt zu allen sechs Palästen beinhalten. Sie können hier für jährlich 53 Pfund erworben werden.
Links:
Historic Royal Palaces: Offizielle Website
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(*=Affiliatelink)