Ich bin etwas spät zu der Party, aber endlich habe ich es geschafft, mir “Firebrand” anzusehen. Alicia Vikander und Jude Law schlüpften in die Rollen von Catherine Parr und Heinrich VIII. und erzählen die Geschichte von Heinrichs sechster und letzter Königin und seinen letzten Lebensjahren.

“Firebrand” ist ein historisches Drama, das sich auf das Leben von Catherine Parr, der sechsten Ehefrau von König Heinrich VIII., konzentriert. Der Film beleuchtet ihre Rolle als starke und einflussreiche Frau am königlichen Hof während einer turbulenten Zeit in Englands Geschichte. Catherine, bekannt für ihre Intelligenz und ihren Mut, navigiert durch die politischen Intrigen und persönlichen Gefahren, die mit ihrer Position verbunden sind – und vor allem auch mit ihrem protestantischen Glauben. Denn dieser wäre ihr um ein Haar zum Verhängnis geworden.

Nun also wie immer meine Frage: Wie nahe ist “Firebrand” an der Lebensgeschichte der wahren Catherine Parr geblieben?

Warnung: Spoiler.

“Firebrand”: Faktencheck

  • Catherine sagt zu Anne Askew, Heinrich hätte sie schon länger behalten als seine vorherigen fünf Ehefrauen. Das ist auf mehr als einer Ebene falsch: Heinrich hat keine Frau so lange behalten wie seine erste, Katharina von Aragon, mit der er ganze 24 Jahre verheiratet war. Catherine Zeit als Regentin, als sie in “Firebrand” diese Aussage tätigte, reichte vom Juli bis September 1544. Geheiratet hatte sie Heinrich erst im Juli des vorherigen Jahres. Daher war ihre Ehe zu dem Zeitpunkt keineswegs die längste, sondern sogar die zweitkürzeste (nach Anna von Kleve).

 

  • Es gibt keine Beleg dafür, dass Catherine Parr und Anne Askew (die neun Jahre jünger als Catherine war) sich aus der Zeit von Catherines erster Ehe gekannt haben. Auch, dass Catherine Anne eine Halskette geschenkt hat, ist Fiktion.

 

  • Anne Askew wurde erst im Mai 1546 verhaftet und im Juli 1546 hingerichtet. Nicht, wie im Film impliziert, kurz nach Heinrichs Rückkehr aus Frankreich.

 

  • Die Kinder von Heinrich VIII. wurden von Lehrern ausgebildet. Und während überliefert ist, dass sich Catherine sehr für die Ausbildung ihrer Stiefkinder interessiert hat, hat sie sie nicht selbst ausgebildet.
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Queen’s Closet in Hampton Court Palace, wo Heinrich und Catherine getraut wurden
  • Thomas Seymour hat, bevor Catherine Heinrich geheiratet hat, um sie geworben. Sich jetzt halb angezogen, mit offenen Haaren und fast schon ohne andere Anwesende derart vertraulich mit ihm zu zeigen, hätte üble Konsequenzen für beide haben können und wäre daher so nie passiert.

 

  • Edward Seymour war noch nicht so alt wie er in “Firebrand” besetzt wurde. Mit Mitte 40 war der realhistorische Edward zehn Jahre jünger als sein Darsteller Eddie Marsan.

 

  • Stephen Gardiner war Bischof und hätte entsprechende Gewänder getragen, keine Adeligenkleidung.

 

  • Prinz Edward war zur Zeit, als Catherine Heinrich als Regentin vertrat, gerade einmal sechs Jahre alt. Dass er mit im königlichen Rat gesessen hat, ist unwahrscheinlich.

 

  • Es kam kein arabischer Arzt mit Heinrichs erster Frau Katharina von Aragon aus Spanien nach England, geschweige denn, dass ein solcher Arzt Heinrich in seinen letzten Lebensjahren behandelte. Katharina von Aragon brachte einen italienischen Doktor mit, der ihr und auch Heinrich diente.

 

  • Trotz Heinrichs gesundheitlichem Zustand und seinem hohen Gewicht wurde seine Ehe mit Catherine vermutlich vollzogen. Berichten zufolge war sich das Paar auch deutlich zugeneigter als “Firebrand” es darstellt. Allerdings gibt es keine Belege, dass Catherine je von Heinrich schwanger war. Catherine empfing erst in ihrer vierten Ehe mit Thomas Seymour ein Kind – und starb im Kindbett.

  • Selbst wenn es so gewesen wäre: So verzweifelt wie Heinrich sich Söhne gewünscht hat, ist es sehr unwahrscheinlich, dass er seiner schwangeren Frau gegenüber gewalttätig geworden wäre.

 

  • Will Sommers, Heinrichs Hofnar, zeigte die Reißverschluss-Geste, als Heinrich ihn aufforderte, still zu sein. Unsinn natürlich, denn der Reißverschluss wurde erst über 300 Jahre später erfunden.

 

  • Catherine wäre nie so dumm gewesen, Heinrich in aller Öffentlichkeit so aggressiv zu kritisieren, wie sie es tat, nachdem sie vom Tod Anne Askews erfuhr.

 

  • Die korrekte offizielle Anrede für Catherine wäre “Euer Gnaden”, nicht “Euer Majestät”. Diese Anrede würde nur für Heinrich benutzt werden. Auch “Euer Hoheit” ist falsch, denn so spräche man Prinzen und Prinzessinnen an.

 

  • Es ist unwahrscheinlich, dass seine Kammerherren Heinrich mit dem Vornamen angesprochen haben. Gleiches gilt für Catherine und ihre Kammerzofen.
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  • Catalina, die schwarze Sklavin, die mit Katharina von Aragon nach England kam (mit viel historischer Freiheit bereits in “The Spanish Princess” zu sehen) und ihr als Lady of the Bedchamber diente, hatte England zu diesem Zeitpunkt längst wieder verlassen und war zurück nach Granada gegangen. Sie heiratete und bekam zwei Töchter. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahr 1531 gibt es keine Aufzeichnungen mehr über sie.

 

  • Margaret Pole und ihr Sohn Henry wurden nicht erst 1546, sondern bereits 1539 bzw. 1541 hingerichtet. Auch wurden sie nicht wegen Ketzerei, sondern wegen Verrates hingerichtet. Arthur Pole starb 1528 eines natürlichen Todes.

 

  • Nicht Catherine, sondern Edward Seymour wurde als Regent für Prinz Edward ernannt, sollte er bei Heinrichs Tod noch nicht erwachsen sein.

  • Catherine Parr wurde nie verhaftet geschweige denn in einen Kerker gesperrt. Sie erfuhr vorab, dass Heinrich ihren Haftbefehl unterzeichnet hatte, und suchte ihn unverzüglich auf. Sie unterwarf sich ihm und beteuerte, ihn nur in religiöse Diskussionen verwickelt zu haben, um ihn zum einen von seinem schmerzenden Bein abzulenken und zum anderen, um von ihm zu lernen. Sie sprachen die ganze Nacht über, und Heinrich war wieder versöhnt. Als am nächsten Tag Heinrichs Ratsmitglieder kamen, um die Königin zu verhaften, jagte er sie zornig davon.

 

  • Hochgeborene Gefangene wurden zudem nicht hinter Gitterstäben in armselige Löcher gesperrt, sondern bekamen angemessene Gemächer. Erst recht hätte man keine Königin im Unterkleid und mit aufgelösten Haar eingesperrt. Sie wäre zwar eingesperrt, aber mit allen Ehren inklusive Dienerschaft, behandelt worden. Anne Boleyn bewohnte während ihrer Haft im Tower of London die gleichen Gemächer wie vor ihrer Krönung.

 

  • Heinrich starb nicht allein bzw. nur in Catherines Gegenwart, also hat sie ihn auch nicht erwürgt. Im Gegenteil waren zahlreiche Menschen an Heinrichs Totenbett, aber Catherine war nicht dabei. Zum Zeitpunkt seines Todes weilte sie nicht einmal bei Hofe.

Mein Fazit zu “Firebrand”

Die Kostüme sind großartig. Man sieht eindeutig, wie viel Sorgfalt in die Recherche geflossen ist und erkennt zahlreiche Kostüme aus zeitgenössischen Gemälden wieder. Auch die Location, in der gedreht wurde (Haddon Hall in Derbyshire) passte perfekt.

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Und somit bin ich am Ende der positiven Dinge, die ich über “Firebrand” sagen kann, angelangt. Denn selbst wenn Jude Law eine durchaus beeindruckende schauspielerische Leistung hingelegt hat – die teilweise wirklich haarsträubenden historischen Freiheiten versauen zumindest mir diesen Film völlig.

Soweit ich weiß, war der Roman, auf dem der Film basiert, wesentlich näher an der realen Geschichte dran. Was es für mich umso unverständlicher macht. Ja, niemand bei diesem Film hat behauptet, eine Dokumentation zu drehen (was ohnehin ein sinnfreies Argument ist – es gibt auch genug schlechte Dokumentationen) oder sich genau an die Geschichte zu halten. Aber ehrlich gesagt ist mir das herzlich egal. Verfilmt jemand die Geschichte von Catherine Parr, erwarte ich auch, die Geschichte von Catherine Parr zu sehen. Nicht eine entfernt ähnliche Geschichte von jemandem, der Catherine Parr heißt. Und der dann noch zur Mörderin gemacht wird, damit es auch ja noch krasser wird. Als ob die zahlreichen Sexszenen und die versuchte Vergewaltigung nicht schon gereicht hätten – ein ohnehin mehr als fragwürdiges Stilmittel.

Und Jude Law mag gut gespielt haben, aber das, was er dargestellt hat, war alles, aber nicht Heinrich VIII. Der war zu seinem Ende hin zwar ein neurotischer Choleriker, aber kein vulgärer, ordinärer Trottel.

Es ist absolut möglich, Geschichte authentisch und spannend zu erzählen. Oft genug wird die Geschichte dann aber geopfert, um sich dem modernen Mainstream-Geschmack anzupassen und das Publikum bloß nicht zu überfordern. Ergo: Um mehr Geld einzunehmen.

Möchte man partout eine eigene Geschichte erzählen, könnte man doch einfach eigene Charaktere erfinden. Ach, dann würden aber vielleicht weniger Leute ins Kino gehen, wenn der große historische Name nicht lockt? Siehe voriger Absatz.

Ich bleibe daher mir selbst treu und wünsche auch weiterhin reale Geschichte in meinen historischen Verfilmungen. Daher kann ich “Firebrand” nicht empfehlen.

Wer das anders sieht: Viel Spaß mit dem Film.

Quellen:

https://www.theanneboleynfiles.com/firebrand-fact-fiction-and-everything-in-between/

https://www.historyextra.com/period/tudor/katherine-parr-firebrand/

https://www.historyextra.com/period/tudor/catalina-lina-spanish-princess-real-who-catherine-aragon-stephanie-levi-john/

 

 

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