Nordengland als Reiseziel wird gern einmal übersehen. Zu strahlend sind die Verlockungen Londons, die malerische Küste Cornwalls oder die sanften Hügel der Cotswolds. Aber auch Nordengland hat Besuchern einiges zu bieten. Und darum will ich Dir heute 10 historische Sehenswürdigkeiten in Nordengland vorstellen, die Du auf Deiner nächsten Reise nördlich des Flusses Tyne erkunden kannst.
Der Norden Englands wurde durch seine Bodenschätze Eisen und Kohle im 18. und 19. Jahrhundert zur Keimzelle der industriellen Revolution. Städte wie Manchester und Liverpool wurden Zentren der Textilherstellung, des Schiffbaus, der Stahlverarbeitung und vieler weiterer Industriezweige. Doch zuerst die Große Depression, dann die Deindustrialisierung im 20. Jahrhundert und schließlich Margaret Thatchers Konflikt mit der Bergbaugewerkschaft führten zum Abstieg des Nordens. Erst in den letzten Jahren haben sich die ehemaligen Industriehochburgen endgültig neu erfunden und zeigen der Welt eine spannende Mischung aus Tradition, Geschichte, Kultur und modernem Zeitgeist.
Denkt man an historische Sehenswürdigkeiten in Nordengland, sind die ersten Orte, die genannt werden, die Metropole der Römer und Wikinger York, die Klosterruinen von Lindisfarne oder Bamburgh Castle, die normannische Burg an der Küste Northumberlands. Heute will ich allerdings mal in eine andere Richtung abbiegen und mir fünf Städte ansehen, die nicht sofort auf jeder Reisetipp-Liste für Geschichtsfan stehen: Newcastle, Hull, Leeds, Manchester und Liverpool. Denn dort gibt es mehr als Industrie, Fußball und “Peaky Blinders” 😉
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Newcastle
Newcastle liegt am Nordufer des Tyne, direkt gegenüber der Stadt Gateshead am Südufer. Es ist die nördlichste Großstadt Englands. “Geordie” nennt man den Dialekt, der in Newcastle gesprochen wird, und gleichsam auch die Menschen, die in dieser Region Nordenglands leben. Kohle und Schiffbau sorgten für Aufschwung in dieser Gegend. Der Victoria Tunnel, ein Tunnelsystem aus dem 19. Jahrhundert, durch das Kohle zum Verladen auf Schiffe transportiert wurde, zeugt von dieser Zeit und kann bis heute besichtigt werden.
Newcastle Castle
Newcastle Castle, oder auch nur “The Castle” ist das Bauwerk, das der Stadt Newcastle ihren Namen verlieh. Bereits die römischen Besatzer errichteten an dieser Stelle ein Fort, das unter Wilhelm dem Eroberer durch eine hölzerne Burg und im 12. Jahrhundert durch einen steinernen Wehrturm ersetzt wurde. Im 13. Jahrhundert kam das Torhaus The Black Gate hinzu, und es entstand der mittelalterliche Gebäudekomplex, der heute besichtigt werden kann. In der über 13 Meter hohen Great Hall verbrachte Edward I. 1292 die Weihnachtszeit.
Kathedrale von Newcastle upon Tyne
Kurz nachdem zu normannischer Zeit der hölzerne Vorgänger von Newcastle Castle erbaut wurde, wurde auch die erste Pfarrkirche des Ortes errichtet. Erst ebenfalls aus Holz, 100 Jahre später aus Stein, aber dennoch brannte die Kirche zweimal ab. Von 1250 bis 1500 wurde dann die gotische Basilika erbaut, im gleichen Baustil wie Westminster Abbey, die bis heute steht. Erst 1882 wurde sie zur Kathedrale erklärt, wodurch sie heute die nördlichste englische Kathedrale ist.
Der spätere schottische Reformator John Knox, Gegenspieler der katholischen Mary Stuart, predigte in der Kathedrale, bevor die Thronbesteigung von Mary I. ihn ins Exil zwang.
Hull
Drei Stunden von Newcastle entfernt an der Ostküste East Yorkshires liegt Hull (eigentlich Kingston upon Hull). Im Mittelalter war die Stadt ein großer Seehafen und bedeutendes Fischerei- und Handelszentrum. Ein berühmter Sohn der Stadt, der Politiker William Wilberforce, war im frühen 19. Jahrhundert federführend dabei, die Sklaverei abzuschaffen. 1902 bekam Hull als erste Stadt Großbritanniens ein Fernsprechnetz und Telefonzellen.
In den letzten Jahren bekämpfte Hull seinen schlechten Ruf mit einem breiten Kulturangebot und trägt seit 2017 den Titel “City of Culture”.
Hull Minster
Die Pfarrkirche in Hull ist flächenmäßig die größte Pfarrkirche in ganz England. Sie geht zurück auf das Jahr 1300 und beherbergt einige der schönsten mittelalterlichen Maurerarbeiten der Insel. Die Marmorfront wurde im Jahr 1380 erschaffen.
Bis 2017 trug die Kirche den Titel Holy Trinity Church und wurde erst dann in Hull Minster umbenannt.
Der bereits erwähnte William Wilberforce wurde 1759 im Minster getauft.
Burton Constable Hall
Das Landhaus liegt etwa 14 km nordöstlichen von Hull und ist im elisabethanischen Stil erbaut. Die Wurzeln des Gebäudes reichen sogar bis ins 12. Jahrhundert zurück. Der das Herrenhaus umgebene Park wurde vom berühmten britischen Landschaftsarchitekten Capability Brown in den 1760er Jahren gestaltet. Gleichzeitig wurde das Innere des Hauses im damaligen Stil renoviert.
Als besondere Sehenswürdigkeiten kannst Du auf Burton Constable Hall das Kuriositätenkabinett von William Constable aus dem 18. Jahrhundert und die spektakuläre Kunstsammlung bewundern, die Tudor-Gemälde, Chippendale-Möbel und weitere Artefakte birgt, bewundern. In der Großen Scheune findet sich noch ein ganz besonderer Anblick: Das Skelett eines im Jahr 1825 in der Nähe angespülten Wals. Sogar der Autor Herman Melville wurde auf das Skelett aufmerksam, und 26 Jahre später veröffentlichte er sein bekanntestes Werk “Moby Dick”.
Leeds
Leeds, die größte Stadt in der Garfschaft West Yorkshire, liegt eine Fahrtstunde westlich von Hull. Die Stadt findet erstmalig im 8. Jahrhundert Erwähnung. Einst drehte sich dort alles um das urenglische Gut Wolle, ihre Produktion und ihren Handel. Heute ist Leeds berühmt und beliebt wegen seiner Shoppingmöglichkeiten. In der Einkaufsgalerie Victoria Quarter, gerade frisch renoviert, haben sowohl lokale als auch große Boutiquen und Marken ein Heim gefunden. Foodies werden im Kirkgate Market, Europas größtem überdachtem Markt, bei Delikatessen und Streetfood fündig, und auch zahlreiche andere Waren werden in den insgesamt 800 Verkaufsständen angeboten.
Kirkstall Abbey
Im Westen von Leeds befindet sich Kirkstall Abbey, die Ruine eines Zisterzienserklosters. Im Jahr 1182 gegründet, erlebte das Kloster wirtschaftlichen Wohlstand, finanziellen Ruin und die Pest. Sein Schicksal war besiegelt, als Heinrich VIII. im Zuge seiner Loslösung von Rom 1539 die Klöster auflösen ließ. Die Klosteranlage verfiel von da ab stetig. Im 18. und 19. Jahrhundert führte sogar eine Straße mitten durch das Hauptschiff. Die Ruine wurde zu einem Anziehungspunkt für romantische Künstler wie dem Maler William Turner oder dem Schriftsteller Horace Walpole. Viele der Kunstwerke, auf denen das Kloster damals verewigt wurde, sind heute in der Leeds Art Gallery zu sehen.
Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Kloster schließlich von der Stadt Leeds restauriert und eine umliegende Parkanlage gestaltet. Es gilt heute als eins der besterhaltendsten frühen Zisterzienserklöster in Großbritannien. Es ist ganzjährig für Besucher geöffnet und bietet neben Führungen eine Dauerausstellung sowie ein Museum.
Harewood House
Das Landhaus Harewood House nördlich von Leeds wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts für Edwin Lascelles, 1st Baron Harewood erbaut. Lascelles war als Plantagenbesitzer und Sklavenhalter auf den Westindischen Inseln zu Reichtum gekommen. Große Namen waren bei der Gestaltung des Anwesens beteiligt: Die Architekten John Carr und Robert Adam, der Landschaftsarchiteck Capability Brown sowie der Möbeldesigner Thomas Chippendale.
Noch immer ist Harewood House im Besitz der Lascelles-Familie. Fans von “Downton Abbey“, die auch den Film zur Serie gesehen haben, wird der Name Lascelles bekannt vorkommen: Die Großmutter des heutigen Familienoberhauptes war Mary, Princess Royal, Tochter von George V., die im Film eine recht entscheidende Rolle spielte.
Auch für die Serie “Victoria” ist das Gebäude wichtig, denn dort stellten einige Räume des Hauses das Innere des Buckingham Palace und Kensington Palace dar.
Das Haus ist für Besucher zugänglich, ebenso wie die Gärten. Auch ein Abenteuerspielplatz, ein Tiergarten und authentischer Afternoon Tea können genossen werden.
Manchester
In Manchester, keine Stunde westlich von Leeds, erblickte die industrielle Revolution das Licht der Welt. Das „People‘s History Museum“, untergebracht in einer ehemaligen Pumpstation aus der Edwardischen Epoche erzählt die Geschichte, wie Arbeiter aus Manchester die erste Industriehauptstadt der Welt machten. Überhaupt werden Fans von Museen in Manchester nicht eine langweilige Minute erleben, denn die Museen der Stadt zeigen alles von den römischen Wurzeln Manchesters über die industrielle Revolution, den Kampf ums Frauenwahlrecht, jüdische Geschichte bis hin – natürlich – zum Fußball.
Doch auch die literarische Geschichte der Stadt ist reich, und große Namen wie Charles Dickens, Charlotte Brontë, Elizabeth Gaskell und Anthony Burgess wirkten hier. Nicht umsonst trägt Manchester den UNESCO-Titel “City of Literature”.
Manchester Museum
Das im späten 19. Jahrhundert gegründete Manchester Museum gehört zur Universität von Manchester und ist das größte Universitätsmuseum des Vereinigten Königreichs. Nicht nur Ausstellung, sondern auch Forschung findet hier statt.
Das Museum ist bekannt für seine Ausstellungsstücke aus den Bereichen Archäologie, Ägyptologie, Botanik, Zoologie und weitere. Auch der Schädel von Old Billy, dem ältesten Pferd der Geschichte, das 1822 im stolzen Alter von 62 Jahren starb, ist dort zu sehen.
John Rylands Library
Die Bibliothek wurde von Enriqueta Augustina Rylands in Erinnerung an ihren Ehemann John Rylands nach dessen Tod im Jahr 1888 gegründet. Da sie ursprünglich nur eine theologische Sammlung angedacht hatte, erinnert das für die Bibliothek erbaute Gebäude an eine Kirche. Mrs. Rylands kaufte bald weitere Sammlungen für die Bibliothek, und am Hochzeitstag der Eheleute im Jahr 1899 wurde die Bibilothek eröffnet. Im Lesesaal stehen bis heute Marmorskulpturen, die das Paar zeigen.
Die Bibliothek nennt wahrlich geschichtsträchtige Werke ihr Eigen, darunter eine der ältesten Abschriften der Evangelien, eine Gutenberg-Bibel sowie Werke des ersten englischen Buchdruckers William Caxton.
Die Bibliothek ist donnerstags bis samstags geöffnet.
Liverpool
Die letzte Station unserer Reise durch die Städte Nordenglands ist Liverpool. Die Stadt liegt eine halbe Stunde von Manchester entfernt an der Nordwestküste Englands. Liverpool war einst der wichtigste Hafen der Welt, als die industrielle Revolution auf dem Höhepunkt war.
Liverpools Geschichte beginnt bereits im 12. Jahrhundert, und in ihren jungen Jahren war die Stadt aufgrund ihrer Lage ein Stützpunkt für in Irland eingesetzte Truppen. Doch in den Jahrhunderten danach verarmte und verfiel Liverpool zusehends. Dies änderte sich erst, als im 18. Jahrhundert der Handel mit den Westindischen Inseln und der Handel mit Sklaven begann. Im frühen 19. Jahrhundert wurden 40% des Welthandels über den Liverpooler Hafen abgewickelt. Das Wachstum der Stadt hielt an, bis sie im 2. Weltkrieg stark beschädigt wurde und in den Jahrzehnten danach wirtschaftlich stark abbaute. Erst seit den 1990ern geht es auch dank Tourismus und Kultur wieder bergauf.
Der in Liverpool gesprochene Dialekt heißt Scouse, nach der gleichnamigen Liverpooler Spezialität, eine Eintopfvariante des norddeutschen Labskaus.
Liverpool Cathedral
Die anglikanische Liverpool Cathedral, Grundsteinlegung 1904, wurde im 20. Jahrhundert erbaut und ist eine der letzten großen Kirchen im Stil der Neugotik. Außerdem ist sie die höchste Kathedrale des Königreichs. Vom Turm der Kathedrale aus kannst Du eine 360°-Aussicht über Liverpool, den Fluss Mersey und die Umgebung genießen.
Die im Jahr 1910 eingeweihte Lady Chapel in der Kathedrale beherbergt ein für Kirchen ungewöhnliches Buntglasfenster. Darauf sind zahlreiche bedeutende Persönlichkeiten der britischen Geschichte verweigt, die alle weiblichen Geschlechts waren: Königin Victoria, Dichterin Christina Rosetti, Rosenkriege-Strategin Margaret Beaufort, Sozialreformerin Elizabeth Fry und frühe Feministin Josephine Butler und weitere.
Speke Hall
Etwas südlich von Liverpool liegt Speke Hall, eins der besterhaltendsten Fachwerkhäuser der Tudorzeit, erbaut ab 1530. Es war im Besitz der Familie Norris, die während der Reformation dem katholischen Glauben die Treue hielt. In Speke Hall gibt es daher ein Priest Hole, in dem sich der im Haus anwesende Priester nötigenfalls verstecken konnte, sowie einen Ausguck in einem Schornstein, durch den man sich nähernde Soldaten sehen und den Priester rechtzeitig warnen konnte.
Die gestalteten Gärten des Anwesens stammen zwar erst aus dem 19. Jahrhundert, doch eine ganz spezielle Sehenswürdigkeit darin ist deutlich älter: Zwei Eibenbäume, genannt Adam und Eva, die vermutlich mehr als 500 Jahre alt sind.
Speke Hall gehört dem National Trust und wird jährlich von über 200.000 Besuchern besichtigt.
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