Mit House of the Dragon bringt uns HBO zurück nach Westeros, und zwar knapp zweihundert Jahre vor den Ereignissen von Game of Thrones.

Ich bin ja eine von diesen ätzenden Game-of-Thrones-Fans, die bereits vor Beginn der Serie alle (bislang erschienenen) Bücher gelesen hatte und mit einer hämischen Schadenfreude das Entsetzen der Serienfans bei der roten Hochzeit verfolgte. Umso enttäuschter war ich dann vom absolut unwürdigen Ende der Serie.

Dennoch war klar, dass ich House of the Dragon eine Chance gebe, zumal zum Glück das unsägliche Produzententeam von Game of Thrones nicht involviert war.

Die Serie basiert auf George R. R. Martins 2018 veröffentlichtem Roman Fire and Blood, einer Geschichte der Targaryen-Dynastie, die den „Tanz der Drachen“ erzählt – einen Bürgerkrieg, der mit Zähnen und Klauen (im wahrsten Sinne des Wortes) zwischen zwei Fraktionen der Familie Targaryen ausgetragen wurde, die einst Westeros regierten und Daenerys Targaryen hervorbrachten.



Dass die Handlung völlig fiktiv ist, ist klar. Wobei Fun Fact: Einer der Yeoman Warders aus dem Tower of London schrieb einst auf Twitter, ihn habe mal ein Tourist gefragt, ob der Tower eine Burg der Starks oder Lannisters gewesen sei…

Doch genauso wie Game of Thrones ist auch House of the Dragon von realhistorischen Ereignissen der englischen Geschichte inspiriert. Bei Game of Thrones haben recht deutlich die Rosenkriege Pate gestanden. Allein schon die Namensähnlichkeiten York – Stark und Lancaster – Lannister sind kaum zu übersehen.

House of the Dragon bediente sich bei einer Periode, die einige Jahrhunderte vor den Rosenkriegen stattfand: Einer Periode, die als die Anarchie bekannt ist.

 

House of the Dragon: Worum geht es in der Serie?

House of the Dragon beginnt mit Viserys Targaryen (Paddy Considine) auf dem Eisernen Thron, und er wird von Fragen geplagt, wer seine Krone erben wird. Als seine Königin Aemma bei einer schwierigen Geburt stirbt, muss sich Viserys der Tatsache stellen, dass er keine überlebenden Söhne hat.

Also bestimmt er seine zwar noch junge, aber nicht auf den Kopf gefallene Tochter Rhaenyra (Milly Alcock als junge und Emma D’Arcy als erwachsene Rhaenyra ) zur Erbin und beruft ein Treffen seiner Adligen ein, um ihr Treue zu schwören. Mehr als ein mächtiger Mann des Landes hat jedoch offenen Bedenken gegenüber der Vorstellung, eine Frau auf den Thron zu setzen.

Im Hintergrund brodelt leise aber deutlich der Königsbruder Daemon (Matt Smith – wieder in seiner Rolle als unzufriedener Adeliger nach einem Auftritt als junger Prinz Philip in The Crown), der sich selbst als de facto Erbe sieht. Was er auch mehr als einmal deutlich macht und was seinen Bruder nicht gerade mit Freude erfüllt.

Aber statt seine Erbin zu verheiraten, um die Thronfolge zu sichern, heiratet Viserys erneut. Seine neue Braut bringt ihm einen Sohn und Erben zur Welt, Aegon (Tom Glynn-Carney), sowie einen Reserve-Erben, Aemond (Ewan Mitchell).

Als Viserys schließlich stirbt, fühlt sich sein Kleiner Rat (ähnlich dem realen Privy Council des mittelalterlichen Englands) nicht mehr verpflichtet, den Wünschen des verstorbenen Königs nachzukommen, dass Rhaenyra ihm nachfolgen soll. Schließlich gibt es einen männlichen Erben zu berücksichtigen – und so beginnen sich die Loyalitäten zu verschieben, während alle Targaryen-Familienmitglieder selbst Seiten wählen. Der Konflikt zwischen den Grünen und den Schwarzen beginnt.

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Porträt Heinrichs I. aus der Chronik von Matthäus Paris

Das reale historische Ereignis, das House of the Dragon inspirierte

House of the Dragon basiert lose auf einem realen historischen Ereignis – einem düsteren Zwischenfall in der englischen Geschichte zwischen 1135 und 1153, der als die Anarchie bekannt ist.

Es beginnt mit König Heinrich I. (ältester Sohn und Nachfolger von Wilhelm der Eroberer), dessen Thronfolge 1120 ins Chaos gestürzt wird. Heinrichs einziger legitimer Sohn und Erbe, Wilhelm Aetheling (ein angelsächsischer Titel für Angehörige der Königsfamilie mit Anrecht auf den Thron), wurde getötet, als sein Schiff im Ärmelkanal sank. Leider hatten Besatzung und Passagiere es für eine gute Idee gehalten, bis spät in die Nacht zu trinken und erst gegen Mitternacht aus dem französischen Barfleur auszulaufen – vor dessen Hafenausfahrt sie in der Dunkelheit einen Felsen rammten und in kurzer Zeit sanken. Nur ein Passagier überlebte, von Willliam wurde nicht einmal ein Leichnam geborgen. Auch zwei uneheliche Halbgeschwister Williams fanden den Tod.

 

Heinrich I. und die Nachfolgekrise

Aus Angst um die Nachfolge heiratete der bereits seit 1118 verwitwete Heinrich 1121 Adelheid von Löwen in der Hoffnung, einen weiteren männlichen Erben zu zeugen. Obwohl er andere Söhne hatte, waren diese nicht legitim. Bis zu dieser Krise wurde Heinrichs Herrschaft als stark mit einer zentralisierten Regierung angesehen; der Gedanke an Chaos nach seinem Tod beunruhigte den englischen Adel.

Doch seine schöne, junge Frau (Adelheid war ungefähr 18, Heinrich 53 Jahre alt) schenkte dem König keine Kinder. Allerdings war es vermutlich eher anders herum, denn nach Heinrichs Tod sollte Adelheid ihrem zweiten Ehemann ganze sieben Kinder gebären.

So blieb Heinrich kaum eine Wahl als seine Tochter Matilda, Witwe des römisch-deutschen Kaisers Heinrich V.,  zu seiner Erbin zu ernennen. Matilda, war mit nur 23 Jahren Witwe geworden und hatte bislang keine Kinder. Heinrich zwang 1126 seinen widerwilligen Hof, Matilda als seiner Thronfolgerin die  Treue zu schwören, sollte ihm kein legitimer Sohn mehr geboren werden. Dies war mehr als ungewöhnlich, denn noch nie hatte in England eine Frau aus eigenem Recht als Königin geherrscht.

Darstellung Gottfrieds V. von Anjou auf der Grabplatte seines Grabes in der Kathedrale von Le Mans

Um weitere Thronfolger zu ermöglichen und den Anspruch seiner Tochter zu festigen, verheiratete Heinrich seine Tochter mit Gottfried Plantagenet, dem Grafen von Anjou. Matilda war alles andere als angetan, denn nach einem Kaiser war ein Graf ein ziemlicher Abstieg. Zudem war Gottfried gerade einmal 15 Jahre alt und somit elf Jahre jünger als seine Braut. Nach einigen sehr turbulenten, ersten Ehejahren rauften sich Matilda und Gottfried schließlich zusammen und zeugten drei Söhne. Heinrich, der Älteste, sollte als Heinrich II. König von England werden.

Fun Fact: Gottfried war der Erste, der den Beinamen Plantagenet trug. Der Name leitete sich von seiner bevorzugten Helmzier, einem Ginsterzweig (französisch plante genêt) ab. Den Namen gab Gottfried an seine ganze Dynastie weiter, die ihn rückwirkend ab dem 15. Jahrhundert trug und bis zu den Rosenkriegen über England herrschte.

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Auftritt: Stephan von Blois

Stephan von Blois in einer zeitgenössischen Darstellung

Anders als bei House of the Dragon entzündete sich der Kampf um den Thron an der Gestalt eines Cousins statt eines Stiefgeschwisters, der Heinrichs Pläne zunichte machen würde.

Als Heinrich I. am 1. Dezember 1135 starb, erhoben einige Adlige die zweifelhafte Behauptung, der König habe sie auf seinem Sterbebett von ihren Treueeiden für seine Tochter entbunden. Sowohl Matildas Geschlecht als auch ihre Ehe mit einem Vertreter des Hauses Anjou – einem Feind der normannischen Barone – gefielen ihnen für ihren zukünftigen Herrscher nicht. Sie blickten nach Kontinentaleuropa für eine Alternative und fanden sie in Form von Stephan von Blois, dem zweiten Sohn von Heinrichs Schwester Adela von der Normandie, Tochter von Wilhelm dem Eroberer.

Da Matilda nicht in England weilte, eilte Stephan nach London. Zweiundzwanzig Tage nach dem Tod des Königs trug er die Krone. Aber Matilda hatte nicht auf ihren Anspruch auf den Thron verzichtet – und so begann der Bürgerkrieg.

 

Die verschmähte Thronerbin

Kaiserin Matilda in einer spätmittelalterlichen Darstellung aus dem 15. Jahrhundert

Matilda weigerte sich, die Krone aufzugeben. Ihr Anspruch wurde von ihrem Halbbruder Robert von Gloucester (einem der unehelichen Söhne Heinrichs I.) sowie ihrem Onkel König David I. von Schottland unterstützt. Roberts Unterstützungserklärung für Matilda führte zu einem Aufstand im Südwesten Englands sowie in Kent, während Gottfried von Anjou in die Normandie einfiel und David I. Nordengland angriff.

1139 kam Matilda nach England, um ihren Thron zu beanspruchen. Sie blieb auf Schloss Arundel bei ihrer Stiefmutter, während Robert versuchte, Unterstützung für sie im ganzen Land zu gewinnen. Stephan belagerte das Schloss und schloss Matilda effektiv ein. Da sie sich ihm gegenüber noch nicht als Bedrohung erklärt hatte, gewährte er ihr eine sichere Passage, um sich in Bristol mit Robert zu treffen. Dort errichtete sie eine Basis im Südwesten. In den nächsten Jahren gab es kleinere Scharmützel und einen Friedensversuch, als Stephan versuchte, die Region zurückzuerobern.

1141 belagerte Stephan die Burg von Lincoln, wo er von den Truppen unter der Führung von Robert von Gloucester und Ranulf von Chester angegriffen wurde. In der folgenden Schlacht besiegt, wurde Stephan nach Bristol gebracht und fast neun Monate lang gefangen gehalten. Obwohl er der gesalbte König war, wurden seine Beine in Ketten gelegt, und seine schlechte Behandlung trug dazu bei, Matildas Popularität zu verringern.

Mit Stephan hinter Gittern nutzte Matilda ihre Chance und schaffte es bis nach Westminster, wo die Vorbereitungen für ihre Krönung im Gange waren. Sie verlor jedoch schnell die Unterstützung des Volkes von London aus einem anderen Grund. Im Vorfeld einer Krönung hörte der zukünftige Monarch traditionell Petitionen über Steuervergünstigungen und Gunstbeweise an, aber Matilda gewährte keine Vergünstigungen und verbannte alle Bittsteller aus ihrer Gegenwart. Das Volk erkannte nun, dass Matilda als Königin keine bessere Lösung für das Land darstellte, und läutete die Glocken der Stadt. Matilda war gezwungen, nach Oxford zu fliehen, als ein wütender Mob und die Londoner Miliz auf Westminster vorrückten.

Im September 1141 wurde Robert von Gloucester in Winchester von Stephens Königin, ebenfalls Matilda genannt, gefangen genommen, die loyale Adlige und flämische Söldner im Namen Stephens anführte. Robert wurde gegen Stephen ausgetauscht, was die ehemalige Kaiserin weiter schwächte. Stephen griff daraufhin Oxford an und belagerte die Burg, in der Matilda stationiert war, und zwang sie zur Flucht zur Abtei Abingdon und dann zur Burg Wallingford.

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Der Krieg ging mit Scharmützeln und Siegen auf beiden Seiten weiter, aber weder Stephen noch Matildas Kräfte konnten einen entscheidenden Schlag versetzen. 1147 starb Robert von Gloucester, und mit ihm der Hauptantrieb für Matildas militärische Kampagne. Sie verließ im folgenden Jahr die Normandie und übergab ihren Thronanspruch an ihren Sohn, Henry Plantagenet.

 

Wie endete der Bürgerkrieg?

Henry genoss militärischen Erfolg in der Normandie und richtete seine Augen auf England – 1153 unternahm er eine effektive Kampagne und gelang es, mit wenig Kämpfen die Kontrolle über einen Großteil des Landes zu übernehmen.

Die ersten Anzeichen einer Lösung tauchten im Juli 1153 in Wallingford auf: Die Kräfte von Stephen und Henry lagerten auf beiden Seiten der Themse, aber die Barone auf beiden Seiten weigerten sich zu kämpfen. Viele hatten bereits Frieden untereinander geschlossen und zwangen Henry und Stephen dasselbe zu tun – obwohl es Scharmützel gab, während der Frieden ausgearbeitet wurde.

Stephens Sohn Eustach war wenig erfreut über die Idee eines Waffenstillstands, doch bevor er seinen geplanten Aufstand durchführen konnte, starb er im darauffolgenden Monat. Sein plötzlicher Tod vereinfachte die Angelegenheit in Bezug auf die Thronanwärter, was zu einer formelleren Übereinkunft führte – dem Vertrag von Winchester, bei dem Stephen weiterhin regieren würde, mit Henry als seinem Nachfolger. Stephen adoptierte Henry dafür als seinen Sohn. Als Stephen im Oktober 1154 starb, wurde Henry Plantagenet zu Heinrich II. – dem ersten der Dynastie, die England bis 1485 regierte.

 

Die Anarchie

Diese Periode wurde nicht wegen der Heftigkeit des Konflikts Anarchie genannt, sondern wegen des angeblichen Mangels an Kontrolle, den Stephan über das Land hatte, als er König war.

Als Stephens Herrschaft fortschritt, begann er, viele Adlige zu entfremden, die wichtige Berater Heinrichs I. gewesen waren, indem er seine eigenen Freunde mit Positionen und Titeln beschenkte.

Stephen hatte sich auch die Geistlichkeit zum Feind gemacht, als er Roger, den Bischof von Salisbury, verhaftete, und seine Position als König wurde instabil. Mitglieder des Klerus sahen dies als Angriff auf die Kirche selbst und viele unterstützten nun Matildas Anspruch. Viele Barone und Geistliche wurden zu einer eigenen Gesetzgebung. Die Autorität brach zusammen, Stephens Regierung verlor die Kontrolle und unlizenzierte Burgen begannen zu erscheinen. Eine Reihe von Adligen wollte das zurückgewinnen, was sie als erbliche Rechte an Ländereien betrachteten, die während der Herrschaft von Heinrich I. den Besitzer gewechselt hatten, und einige wechselten häufig die Seiten, um sich Vorteile zu verschaffen.

Ob diese Zeit aber wirklich anarchisch war oder eher das Produkt von Plantagenet-Propaganda der folgenden Monarchen ist (ähnlich, wie es Richard III. erging) wird unter Historiker*innen heiß diskutiert.

 

Quellen:

https://www.historyextra.com/period/medieval/house-of-the-dragon-real-historical-event/

https://www.historyextra.com/period/medieval/guide-the-anarchy-what-civil-war-stephen-matilda/

https://en.wikipedia.org/wiki/Henry_I_of_England

https://en.wikipedia.org/wiki/Empress_Matilda

 

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