Jane Seymour, die dritte Frau von Heinrich VIII. von England. Demütig und sanftmütig, wo seine zweite Ehefrau Anne Boleyn stolz und kühn gewesen war. Sie sollte dem König das schenken, wonach er sich so verzweifelt sehnte, doch sollte selbst den höchsten Preis dafür zahlen.
Jane Seymour, die Hofdame
Über das frühe Leben von Jane Seymour, die etwa 1509 geboren wurde, ist so gut wie nichts bekannt. Erst, als sie im Alter von etwa 20 Jahren an den Hof kam und in die Dienste der damaligen Königin Katharina von Aragon trat, trat sie auch ins Licht der Geschichte.
Jane Seymour sorgte zu Beginn nicht für viel Aufsehen: von Zeitzeugen wird sie als unauffällig, mäßig hübsch und sehr bleich beschrieben. Sie war katholisch und wird daher die angestrebte Trennung des Königs von Katharina von Aragon sowie die Abspaltung von der katholischen Kirche mit Unbehagen gesehen haben. Es ist nicht sicher, ob sie nicht sogar eine Weile den Hof verliess und erst zurückkehrte, als Anne Boleyn bereits Königin war. Auch, wann und wie genau Heinrich auf die unscheinbare Hofdame aufmerksam wurde, ist nicht bekannt.
Janes Brüder Edward und Thomas, zwei ehrgeizige junge Männer, waren ebenfalls bei Hof, und zusammen mit der katholischen Partei sowie den Feinden Anne Boleyns stürzte man sich auf das erwachende Interesse des Königs an Jane. Man riet ihr, auf keinen Fall die Geliebte Heinrichs zu werden, ähnlich wie Anne Boleyn es ihrerzeit getan hatte.
In der Tat liegt der Verdacht nahe, dass für jene, die Janes Aufstieg zur Königin förderten, Jane Seymour selbst nur Mittel zum Zweck war: über sie hoffte man vielmehr, Katharina von Aragons Tochter Mary, die im Zuge der Trennung ihrer Eltern zum Bastard erklärt wurde, wieder in die Thronfolge einzusetzen. Mary hing dem Glauben ihrer Mutter an, und eine katholische zukünftige Königin von England war für die englischen Katholiken ein vielversprechendes Projekt.
Jane war also ein unauffälliges, demütiges Bild an Tugend – so anders als die Königin Anne, stolz, hochmütig und eifersüchtig, die sich noch immer benahm, wie sie es als Heinrichs Geliebte getan hatte. Nur, dass Heinrich jetzt, wo Anne seine Ehefrau war, ihre Allüren nicht mehr faszinierend, sondern nervtötend fand. Zudem sah Anne es überhaupt nicht ein, die Augen vor seinen Affären zu verschließen, sondern sie machte ihm regelmäßig Szenen. Dabei soll er ihr einst gesagt haben, sie solle wegsehen, wie es Bessere als sie vor ihr gemacht hätten.
Es stand also nicht gerade rosig um die königliche Ehe. Nachdem Anne zudem nur eine Tochter zur Welt gebracht hatte und alle Söhne vor oder nach der Geburt starben, grübelte Heinrich bereits über Möglichkeiten, sich von ihr zu trennen. Doch da seine erste Frau noch lebte, hätte er nach damaligem Recht zu ihr zurückkehren müssen. Als Katharina jedoch 1536 starb, schlug bald auch Annes letzte Stunde. Nur 11 Tage nach Annes Hinrichtung heiratete Heinrich Jane Seymour.
Die Seymour-Königin
Diese Bezeichnung ist nicht ganz korrekt, denn zur Königin gekrönt wurde Jane Seymour nie. Vorgeschobene Gründe gab es, doch vielleicht wollte Heinrich dieses Mal abwarten, bis seine königliche Babymaschine auch geliefert und seinen Sohn geboren hatte.
Jane gab sich auf jeden Fall als Königin aus dem Himmel: sanft, demütig, gehorsam und freundlich. “Bound to obey and serve”, zum Gehorchen und Dienen bestimmt, war ihr Motto. Trotz ihrer ehrgeizigen Familie im Rücken (Janes Brüder Edward und Thomas stiegen beide hoch auf, um Jahre später schließlich beide auf dem Schafott zu sterben), hielt sie sich größtenteils aus Heinrichs Staatsangelegenheiten heraus, ahnend, dass Heinrich sie nicht wegen ihrer wertvollen Ratschläge geheiratet hatte. Nur bei zwei Themen wagte sie es, den allmächtigen Potentaten mit ihrer Meinung zu belästigen.
Die katholische Partei setzte große Hoffnung auf Jane, um so die Prinzessin Mary wieder in Heinrichs Gunst zu bekommen. Mary war im Zuge der Trennung von ihrer Mutter als unehelich erklärt und aus der Thronfolge ausgeschlossen worden. Heinrich wollte ihr erst dann verzeihen, wenn sie die Illegalität der Ehe zwischen Heinrich und ihrer Mutter anerkannte. Will heißen: sie sollte ihre Mutter zu Heinrichs Hure und sich selbst zum Bastard erklären, und sie sollte Anne Boleyn als wahre Königin und deren Nachkommen als rechtmäßige Thronerben anerkennen.
Mary weigerte sich jahrelang, und der Druck auf Mary wuchs. Sie verbrachte zahlreiche Jahre in Ausgestoßenheit und verbitterte bereits als Teenager. Als Jane Seymour nun Königin wurde, war Mary 20 Jahre alt. Jane bemühte sich um ein gutes Verhältnis zu Mary und setzte sich auch bei Heinrich für Mary ein. Dieser wies sie zurecht, Jane solle sich besser um die Zukunft ihrer eigenen Kinder sorgen, nicht die der Kinder anderer Frauen. Jane erwiderte jedoch, sie sei nur um den Frieden innerhalb der königlichen Familie besorgt.
Janes Einfluss half jedoch nichts. Erst als Mary das gewünschte öffentliche Bekenntnis ablegte, nahm Heinrich sie wieder am Hof auf. Sie blieb jedoch aus der Thronfolge ausgeschlossen, die nach wie vor Janes Nachkommen vorbehalten blieb.
Zum zweiten Mal mischte Jane Seymour sich ein, als sich bis zu 40.000 Menschen im Norden Englands zum sogenannten Pilgrimage of Grace erhoben. Unzufrieden über die Abspaltung von Rom, die Auflösung der Klöster, die Verstoßung von Katharina von Aragon und die Enterbung von Prinzessin Mary sorgten die Rebellen unter Führung des Juristen Robert Aske für eine der größten Krisen von Heinrichs Regentschaft. Henrichs Armee wies längst nicht die gleiche Mannstärke auf, weswegen der König gezwungen war, zu verhandeln. Er sagte den Rebellen eine generelle Amnestie sowie bestimmte Zugeständnisse zu. Als der Aufstand sich auflöste, hielt Heinrich sein Versprechen jedoch nicht ein.
Jane flehte Heinrich auf Knien an, Gnade walten zu lassen. Heinrich teilte jedoch den ultimativen Schlag aus und ließ Jane wissen, sie solle sich, wie er ihr mehrfach gesagt hatte, nicht in seine Angelegenheiten einmischen. Das unterschwellige “Denk daran, wie es Anne Boleyn ergangen ist” war deutlich. Jane hielt sich fortan aus der Politik heraus.
Mutter
Ende Mai 1537 wurde offiziell bekannt gegeben, dass Jane Seymour ein Kind erwartete. In den Kirchen wurden Dankeslieder gesungen.
Jane entwickelte angeblich Gelüste auf Wachteln, und Prinzessin Mary, die inzwischen mit der Königin freundschaftlich verbunden war, sandte ihr Vögel aus dem eigenen Garten. Im Oktober zog sich Jane schließlich vom Hofleben in Hampton Court zurück und bereitete sich auf die Geburt vor. Am 9. Oktober setzten die Wehen ein, und nach ganzen drei Tagen brachte Jane einen Sohn zur Welt. Da war er nun endlich, der langersehnte Thronfolger.
Das Kind wurde auf den Namen Edward getauft. Kurz nach der Geburt erkrankte Jane schwer an Kindbettfieber – einer gefährlichen Infektion nach der Geburt, die viele Frauen das Leben kostete. Nun drohte es, auch Jane zum Verhängnis zu werden.
Zunächst schien es ihr besser zu gehen, doch dann erlitt sie einen plötzlichen Rückfall. Trotz der besten ärztlichen Versorgung und Pflege (zumindest die, die zu jener Zeit verfügbar war) konnte Jane Seymour dem Fieber nicht standhalten. Am 24. Oktober 1537, nur zwölf Tage nach der Geburt ihres Sohnes, verstarb sie im Alter von(geht man von ihrem angenommenen Geburtsjahr 1509 aus) nur 28 Jahren.
Heinrich war verzweifelt und trauerte sehr. Er ordnete eine königliche Trauerzeit an und ließ Jane mit allen Ehren beisetzen. Noch Jahre später sagte man, er habe Jane von all seinen Frauen am meisten geliebt. Dies schlussfolgerte man auch aus der Tatsache, dass Heinrich kurz vor seinem Tod anordnete, neben Jane Seymour zur Ruhe gebettet zu werden.
Doch vermutlich hatte Jane schlicht den Vorteil, ihm endlich einen Thronfolger geschenkt zu haben. Und die Frage des Grabes lässt sich ebenfalls leicht erläutern (und damit eine kleine Vorschau auf den Rest der Reihe geben): Von Katharina von Aragon hatte Heinrich sich getrennt. Anne Boleyn und Katherine Howard wurden nach ihrer Hinrichtung in der Kapelle des Towers begraben. Anna von Kleve und auch Catherine Parr, seine Frau zum Zeitpunkt seines Todes, waren noch am Leben. Wer blieb also, um neben ihr begraben zu werden? Jane Seymour. Ein überlebender Sohn und 18 Monate als Königin, die zu kurz waren, um es sich wirklich mit Heinrich zu verscherzen.
Mit Janes Tod endete jedoch nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch eine Ära. Sie war die letzte Frau Heinrichs VIII., die den Titel der Königin von England trug. Nach ihrem Tod heiratete Heinrich noch zweimal, aber keine seiner nachfolgenden Ehen brachte ihm einen weiteren lebenden Thronfolger.
Jane Seymour wird oft als die einzige Frau Heinrichs VIII. beschrieben, die ihn wirklich geliebt hat – wobei sie und vor allem ihre Familie mit Sicherheit auch eigene Ambitionen verfolgten. Ihr kurzes Leben war dennoch zumindest äußerlich geprägt von Demut, Treue und Hingabe an ihren Ehemann und ihr Land. Obwohl sie keine prägende politische oder kulturelle Rolle spielte, hinterließ sie dennoch eine bedeutende Spur in der Geschichte Englands als die Frau, die Heinrich endlich den lang ersehnten Erben schenkte. Ihr Sohn Edward VI. sollte später selbst König von England werden und trotz seines frühen Todes eine wichtige Rolle bei der Etablierung des Protestantismus in England spielen.
Ihr Einfluss auf Heinrich VIII. und die englische Geschichte sollte nicht unterschätzt werden. Obwohl ihr Leben zu früh endete, hinterließ Jane Seymour eine dauerhafte Erinnerung an ihre Rolle als Königin und Mutter des künftigen Königs.
Ihr Sohn Edward VI. wurde im Alter von nur neun Jahren zum König gekrönt. Da er zu jung war, um selbst zu regieren, wurde eine Regentschaft eingesetzt, die von Edward Seymours, Janes Bruder, geführt wurde. Diese Zeit war geprägt von religiösen Veränderungen und der Stärkung des Protestantismus in England.
Jane Seymours Hinterlassenschaft war auch in ihrem Sohn präsent. Edward VI. setzte die protestantische Reformation fort und führte England auf den Weg des anglikanischen Glaubens. Unter seiner Herrschaft wurden zahlreiche katholische Praktiken abgeschafft und der Protestantismus als Staatsreligion etabliert.
Jane Seymour wird oft als die vergessene Königin bezeichnet, da sie im Schatten ihrer berühmteren Vorgängerinnen steht. Dennoch wird sie als eine der wenigen Frauen in Heinrichs Leben angesehen, die ihm wahre Freude und Glück brachten. Ihre Sanftmut und Demut mögen sie in den Augen einiger als unscheinbar erscheinen lassen, aber für Heinrich VIII. war sie das Licht in einer Zeit der Dunkelheit und Verzweiflung.
Die sechs Frauen Heinrichs VIII.: