Prinzessin Charlotte Elizabeth Diana. So lautet der Name des jüngsten Mitglieds des englischen Königshauses. Auch wenn die Thronfolge heutzutage längst nicht mehr die elementare Bedeutung vergangener Jahrhunderte hat: Es gab bereits einmal eine andere Prinzessin Charlotte, die Anfang des 19. Jahrhunderts die englische Thronfolge – und Geschichte – maßgeblich beeinflusst hat. Doch der kleinen Charlotte wünsche ich mehr Glück als ihrer Namensvetterin, denn diese beeinflusste ihre Zeit leider nicht durch ihr Leben und Wirken, sondern durch ihren unglücklichen und frühen Tod.

 

Prinzessin Charlotte Augusta von Wales

Man schrieb das Jahr 1817. Das Haus Hannover herrschte in Gestalt von George III. über England. Doch der König galt als wahnsinnig und wurde bereits seit 1811 in allen Regierungsfragen von seinem Sohn George als Regent vertreten.

Dessen Tochter, die 21-jährige Prinzessin Charlotte ist an zweiter Stelle der Thronfolge. Sie ist die große Hoffnung des Königshauses, und kurz davor, einem weiteren Thronfolger das Leben zu schenken. Um 19 Uhr am Abend des  03.11.1817 begannen ihre Wehen, und sie zog sich in ihre Gemächer in Claremont House in Surrey zurück. Begleitet wurde sie von ihrem Ehemann Prinz Leopold und Sir Richard Croft, Leibarzt der königlichen Familie und hochangesehener Geburtshelfer. Um 3:30 Uhr wurden die Mitglieder des Privy Council gerufen, um der ersten königlichen Geburt seit 21 Jahren (seit Charlotte selbst zur Welt kam) beizuwohnen. Das Schicksal des Hauses Hannover hing an diesem Baby.

 

Die Hoffnung ihrer Familie

Prinzessin Charlotte kam am 07.01.1796 als Kind von George, Prince of Wales und seiner Frau Caroline von Braunschweig-Wolfenbüttel zur Welt. Ihre Eltern verabscheuten sich quasi auf Sicht, kein Wunder also, dass Charlotte ein Einzelkind blieb.

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Die Mitglieder der königlichen Familie waren nicht mehr beliebt beim Volk: George III. war (oder schien) unheilbar wahnsinnig, sein Sohn, der Prinzregent, war verschwenderisch, ausschweifend und alkohol- und drogenabhängig. Doch dessen Tochter Charlotte bot die Hoffnung auf einen Neustart und ein ganz neues Konzept: Eine glückliche königliche Familie.

1816 verlobte sich Prinzessin Charlotte mit Prinz Leopold von Sachsen-Coburg. Sie war Hals über Kopf in den Prinzen verliebt. Sie sagte, dass nie eine Prinzessin mit der Hoffnung auf so viel Glück geheiratet habe. Dynastische Ehen waren zu jener Zeit eher selten glücklich, doch Charlotte und Leopold brachen das Muster und schafften sich eine eigene Welt. Charlotte war das beliebteste Mitglied des Königshauses, und ihre Hochzeit sorgte für landesweite Freudentaumel.

18 Monate nach der Eheschließung freute man sich nun auf die Geburt eines weiteren Thronfolgers. Doch es verlief nicht alles, wie es sollte: Charlottes Muttermund hatte sich am Abend des 4. November nur wenig geöffnet, und der Geburtshelfer Croft begann, sich große Sorgen zu machen. Schließlich, nach 50 Stunden Wehen, brachte Charlotte einen Sohn zur Welt, doch das neun Pfund schwere Baby war tot. Alle Wiederbelebungsversuche (das Baby wurde mit Salz und Senf abgerieben) schlugen fehl. Charlotte schien es gesundheitlich gut zu gehen, doch sie war verständlicherweise erschöpft und wollte schlafen. Auch ihr Ehemann Leopold, der 50 Stunden an Charlottes Seite geblieben war, nahm vermutlich ein Schlafmittel und ging zu Bett.

Um Mitternacht klagte Charlotte jedoch über Übelkeit und übergab sich, und zudem blutete sie. Man versuchte, ihren Mann zu alarmieren, bekam ihn jedoch nicht wach. Tragischerweise starb Charlotte um etwa 2:30 Uhr, vermutlich an inneren Blutungen, ohne ihren Ehemann noch einmal gesehen zu haben.

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Sir Richard Croft war verzweifelt. Er hatte einem weiteren Geburtshelfer den Zugang zur Prinzessin verboten und den Einsatz einer Geburtszange untersagt. Vielleicht hätte eine solche Mutter und Kind gerettet, doch in einer Zeit ohne Desinfektionsmittel waren solche Instrumente auch immer ein Risiko. Croft gab sich die Schuld am Tod gleich zweier Thronanwärter und nahm sich drei Monate später das Leben.

 

Was Charlottes Tod für England bedeuteteDie Beisetzung von Prinzessin Charlotte

Prinzessin Charlotte wurde, zusammen mit ihrem kleinen Sohn, in der St. George’s Chapel in Windsor Castle beigesetzt. Die Nation war geschockt, und die Trauer muss ähnlich groß wie beim Tod von Prinzessin Diana gewesen sein. Ein Zeitzeuge hielt fest, dass es sei, als ob jedes Haus im Land sein meistgeliebtes Kind verloren hätte. Und um noch mehr Parallelen zu ziehen: Der Ausdruck “England’s Rose”, den wir alle aus dem Song von Elton John für Prinzessin Diana kennen, wurde zuerst für Prinzessin Charlotte, die Rosen sehr gern hatte und häufig trug, verwendet.

Es war eine nationale Katastrophe, und die Hoffnung auf eine Erneuerung der Monarchie war dahin. Und viel schlimmer: Es existierte nach dem Prince of Wales kein einziger Thronfolger mehr. Denn obwohl George III. 15 Kinder gehabt hatte, hatte er 1817 lediglich ein legitimes Enkelkind, und das war Charlotte. Und Charlottes Eltern hassten sich bekanntermaßen und hatten sich bereits im Jahr nach ihrer Geburt getrennt. Die einzige Hoffnung bestand also darin, dass einer der drei unverheirateten Söhne von George III. einen Thronfolger hervorbrachte. Sie hatten es also sehr eilig, ihre Mätressen zu verlassen, protestantische Prinzessinnen zum Heiraten zu finden und als Erster einen Thronfolger zu zeugen. Wäre es nicht so ernst gewesen, wäre es unglaublich komisch.

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Edward, Duke of Kent machte schließlich das Rennen. Er heiratete die Schwester von Charlottes Witwer Leopold, und das Paar bekam am 24. Mai 1819, 18 Monate nach Charlottes Tod, eine Tochter namens Alexandrina Victoria. Kommt Euch bekannt vor? Ja, genau. Die spätere Königin Victoria verdankte nicht nur ihre Position, sondern sogar ihre Existenz dem Tod ihrer Cousine Charlotte.

Victorias Vater starb am 23. Januar 1820, als sie acht Monate alt war. Als dann nur sechs Tage später auch George III. starb, trennten Victoria nur noch ihre Onkel George IV. und sein Nachfolger William IV. (beide bereits Ende 50 und kinderlos) vom englischen Thron.

Und da England nie eine Königin Charlotte hatte, bekam es stattdessen ein viktorianisches Zeitalter.

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