Die Thronfolge des Hauses Windsor steht im Blickpunkt der Aufmerksamkeit: Nach dem Tod von Queen Elizabeth am 08.09.2022 krönt das Vereinigte Königreich mit Charles III. zum ersten Mal seit sieben Jahrzehnten einen neuen Monarchen.
Wie geht es nun nach der Jahrhundertkönigin weiter? Um diese Frage zu beantworten, habe ich meinen Artikel über den Aufstieg des Hauses Windsor aus meiner Reihe über die britische Thronfolge aktualisiert.
Die Geburt des Hauses Windsor
Königin Victoria hatte ihren ältesten Enkel und Thronfolger George zeitig verheiratet, und zwar mit Maria von Teck (Mary of Teck), deutsche Herzogstochter und ehemalige Verlobte von Georges älterem, verstorbenen Bruder. Auch diese Ehe war überraschend glücklich, beide waren sich ein Leben lang sehr zugeneigt, und es gab keine außerehelichen Affären.
Das Paar hatte fünf Söhne und eine Tochter, und George war als Vater sicher keine Freude. Er sagte einst, sein Vater habe sich vor seiner Großmutter gefürchtet, er selbst habe sich vor seinem Vater gefürchtet, also sollten sich seine Kinder nun auch vor ihm fürchten.
George und Mary lebten ruhig und zurückgezogen. George hatte nichts von der Lebemann-Art seines Vaters und widmete sich eher dem Briefmarkensammeln als rauschenden Festen. Als Edward VII. 1901 König wurde, wollte er jedoch seinen Thronfolger besser auf sein Erbe vorbereiten als Königin Victoria dies mit ihm getan hatte. George wurde in Staatsangelegenheiten eingebunden und war beim Militär aktiv. 1910 schließlich starb Edward VII. und George V. übernahm die Krone.
Vier Jahre später brach der Erste Weltkrieg aus, und die Beliebtheitswerte der Deutschen fielen in Großbritannien ins Bodenlose. Dies bekam auch das – immer noch deutschstämmige – Königshaus zu spüren. H.G. Wells, Autor von “Krieg der Welten” bezeichnete den König in einem Zeitungsartikel als uninspirierend und fremdländisch. Als George V. davon hörte, polterte er: “Ich mag uninspirierend sein, aber ich bin sicher nicht fremdländisch”.
Als Reaktion auf die antideutsche Stimmung änderte George V. den Namen seiner Familie von Sachsen-Coburg und Gotha in Windsor. Auch die verwandte Familie von Battenberg anglizierte ihren Namen zu Mountbatten.
Von der Abdankung in den Weltkrieg
George V. und seine Frau hatten fünf Söhne, von denen vier das Erwachsenenalter erreichten. Der älteste Sohn Edward war ein klassischer Prince Charming: Gutaussehend und auf der ganzen Welt in offizieller Mission als Prinz von Wales unterwegs, wurde er zum meistfotografierten Person seiner Zeit und zum absoluten Frauenschwarm. Doch die Fassade täuschte, denn weder war Edward seiner Familie und dem Thron sehr verbunden noch war er willens, seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse hinter seinen Pflichten zurückzustellen. Ach ja, und ein Rassist war er auch. Kaum ein Wunder also, dass eine seiner zahlreichen Mätressen die Amerikanerin Wallis Simpson wurde, die sowohl den deutschen als auch den englischen Nazis nahestand.
George V. sah diese Affäre und das Betragen seines ältesten Sohns mit Sorge. Er war seiner Enkeltochter Elizabeth sehr zugetan, der Tochter seines zweitältesten Sohns Albert. Darum sagte er zu einem Höfling eines Tages, dass er hoffe, Edward würde keine Kinder haben und so den Weg zum Thron für Albert und Elizabeth freilassen.
Außerdem prognostizierte George, dass Edward sich nach seiner Thronbesteigung innerhalb von zwölf Monaten selbst ruinieren würde. George V. verstarb am 20. Januar 1936 an einem Bronchialleiden, das sein Kettenrauchen sicher nicht besser gemacht hat. Edward VIII. war nun König und noch immer mit Wallis Simpson zusammen, die er zu heiraten wünschte. Dabei gab es jedoch mehrere Probleme, sogar abseits ihrer Nazi-Verbindungen: Wallis Simpson war zweimal geschieden, und ihre Ex-Männer waren beide noch am Leben. Die anglikanische Kirche verbot Geschiedenen mit lebenden Verflossenen die Wiederheirat, und Edward war als König immerhin Oberhaupt der anglikanischen Kirche.
Die Kirche und das Kabinett waren gegen die Heirat, also blieben Edward nur die Optionen, auf die Heirat zu verzichten, trotz allen Widerständen zu heiraten und so die Regierung und das Land in eine konstitutionelle Krise stürzen oder abzudanken. Er entschied sich für die Abdankung und unterschrieb am 10. Dezember 1936 seine Abdankungsurkunde – keine 11 Monate nach dem Tod seines Vaters.
Somit wurde aus seinem jüngeren Bruder Albert König George VI. Dieser war wahrlich nicht glücklich über den Lauf seines Schicksals. Er stotterte und hatte daher große Probleme mit öffentlichen Auftritten. Allerdings boten er, seine Frau Elizabeth (die spätere “Queen Mum”) und ihre Töchter Elizabeth und Margaret genau das heile Bild einer könglichen Familie, das die britische Öffentlichkeit brauchte, als der Zweite Weltkrieg ausbrach.
George bemühte sich stets, die Moral in Truppe und Volk hochzuhalten, und seine Familie unterstützte ihn dabei. Mehrfach wurde angeraten, dass die Prinzessinnen außer Landes in Sicherheit gebracht werden sollten, doch Königin Elizabeth antwortete darauf: “Meine Töchter gehen nicht ohne mich, ich gehe nicht ohne den König und der König wird niemals gehen.” Selbst, als der Buckingham Palace von deutschen Fliegerbomben beschädigt wurde, bliebt die königliche Familie.
Beim Volk gewann dies viele Sympathien. Und als London im Mai 1945 begeistert das Kriegsende feierte, verlangte es lautstark nach dem König, damit er auf den Balkon des Buckingham Palace heraustreten und sich bejubeln ließ. Seine Töchter Elizabeth und Margaret stürzten sich währenddessen inkognito und nur in Begleitung einer kleinen Aufpassertruppe ins Getümmel, feierten und tanzten mit der Londoner Bevölkerung Konga.
Die Rekordkönigin
Die Deutschenfeindlichkeit gegenüber der königlichen Familie war beendet, aber die Deutschen generell waren noch immer verhasst. Nun hatte jedoch Prinzessin Elizabeth bereits 1939 ihr Herz an einen gewissen Prinz Philip von Griechenland und Dänemark aus dem deutschen Adelshaus Glücksburg verloren. Beide hatten während des Krieges regen Briefwechsel und nun, 1946, hielt Philip beim König um die Hand seiner Thronfolgerin an. Dieser stimmte zu, wenngleich die offizielle Bekanntmachung der Verlobung erst 1947, nach Elizabeths 21. Geburtstag, stattfand.
Nun traf diese Verlobung ganz und gar nicht auf vollkommene Begeisterung. Man hielt Philip für arrogant, er sei kein Gentleman und würde Elizabeth nicht treu sein. Seine Mutter Prinzessin Alice von Battenberg litt außerdem an psychischen Störungen. Seine Abstammung war deutsch, und seine drei Schwestern waren mit Nazis verheiratet. Auch die spätere Queen Mum war überhaupt nicht begeistert von ihrem zukünftigen Schwiegersohn, den sie noch lange “den Hunnen” nannte.
Doch Elizabeth ließ sich nicht von ihrem Heiratswunsch abbringen. Philip wurde britischer Staatsbürger, nahm den Namen Mountbatten an, konvertierte zur anglikanischen Kirche und wurde am Morgen seiner Hochzeit zum Duke of Edinburgh erhoben. Nachdem er nun kaum noch englischer werden konnte, heirateten Philip und Elizabeth am 20.11.1947.
Dem Paar waren noch einige Jahre in (relativer) Ruhe gegönnt. Sie bekamen mit Charles und Anne ihren ersten beiden Kinder und lebten zeitweise auf Malta. Doch ab 1951 ging es mit der Gesundheit des Königs bergab, und Elizabeth musste immer häufig für ihren Vater bei öffentlichen Auftritten einspringen.
Anfang 1952 gingen Philip und sie auf eine Reise, deren erste Station Kenia war. Doch erreichte sie am 06.02. die Nachricht, dass ihr Vater verstorben und sie nun Königin sei.
An diesem Tag begann die längste Regentschaft in der Geschichte der britischen Monarchie. Elizabeth II. zog an George III. und Victoria vorbei und regierte bis zu ihrem Tod am 08.09.2022.
Die britische Thronfolge im 21. Jahrhundert
Anders als in vorherigen Jahrhunderten gibt es im Hause Windsor reichlich Thronfolger. Mittlerweile ist auch weder das Geschlecht noch die Heirat mit einer Katholikin/einem Katholiken ein Hindernis auf dem Weg zum Thron. Abdanken oder auf den Thron verzichten ist im Vereinigten Königreich sehr unüblich. Also sieht die britische Thronfolge so aus:
Prinz Charles folgte wie erwartet seiner Mutter als Charles III. auf den Thron. Nach ihm wird sein Sohn William den Thron besteigen, gefolgt von dessen Kindern George, Charlotte und Louis. Williams Kinder sind die erste Generation Thronfolger, die nach Alter und nicht zuerst nach Geschlecht erben – weswegen Charlotte vor ihrem jüngeren Bruder Louis in der Thronfolge steht.
Danach wird es ein wenig komplizierter, denn nun kommen zwei Prinzen, die alles andere als unumstritten sind, aber dennoch offiziell noch in der Thronfolge stehen. Auf Platz 5 folgt Prinz Harry, gefolgt von seinen Kindern Archie und Lilibet. Als nächstes erbt der nächstältere Sohn der Queen, Prinz Andrew. Ob das je passiert wird, ist angesichts von Andrews Vergehen und auch seiner Position in der Thronfolge zum Glück sehr unwahrscheinlich. Danach folgen Andrews Töchter Beatrice und Eugenie, die mit Sienna und August beide auch bereits Kinder mit Plätzen in der Thronfolge haben.
In der Generation der Kinder der Queen gilt noch das männliche Erbrecht, also erben erst die Söhne und nicht das zweitälteste Kind, Prinzessin Anne. Also steht nach Andrew und seinen Kindern als nächstes Edward, der jüngste Sohn der Queen, in der Thronfolge. Ihn beerben seine Kinder James und Louise, und auch hier hat James Vorrang vor seiner älteren Schwester. Denn der “Succession to the Crown Act“, der das männliche Vorrecht eliminiert, gilt erst für Thronfolger, die nach dem 28.10.2011 geboren wurden – und Louise kam 2003 und James 2007 zur Welt. Erst dann geht die Thronfolge auf Prinzessin Anne über, danach auf ihren Sohn Peter und seine Töchter Savannah und Isla und dann auf Annes Tochter Zara und deren Töchter Mia und Lena sowie ihren Sohn Lucas.
Die britische Monarchie kann also in direkter Linie auf 23 Thronfolger zurückgreifen – die Dynastie dürfte gesichert sein.